Behandelt man sich mit Raumordnung, Urbanistik, Wohnbau und Baurecht, so wird klar, dass die Themen im Rahmen der italienischen Rechtsprechung ineinandergreifen, was auch nachvollziehbar ist. Hinzu kommt, dass Südtirol zwar grundsätzlich autonom ist und eine primäre Zuständigkeitsbefugnis im Bereich Raumordnung hat, dass allerdings staatliche Gesetze vielfach einen übergeordneten Rang haben und dass letztlich auch die Landesgesetzgebung diesem Rahmen Rechnung zu tragen hat. Trotz primärere Gesetzgebungsbefugnis wird die Raumordnung durch den gesetzlichen Rahmen, den der Staat vorgibt, wesentlich beeinflusst.
Grundlegend war in diesem Sinne das Gesetz 1150 von 1942 als „Legge urbanistica nazionale“ unter dem Eindruck eines zentralistischen Staates mit deutlichem Modernisierungsbedürfnis, das sich sowohl mit den urbanen Zentren als auch mit der ländlichen Entwicklung befasste und in diesem Sinne staatliche Koordinierungspläne und dann Leitpläne auf interkomunaler und komunaler Ebene vorsah. Das Urbanistikgesetz von 1942 sah die Technik der Zonenbildung sowie die Durchführungsnormen zur Anwendung der Zonen vor.
Das Gesetz 765 vom 6. August 1967 („Überbrückungsgesetz“ – „Legge ponte“: Modifiche ed integrazioni alla legge urbanistica 17 agosto 1942, n. 1150) verallgemeinert die Pflicht, in den Gemeinden Bauleitpläne vorzusehen und verbietet die Parzellierung von Baugründen in Abwesenheit eines städtebaulichen Konzeptes. Vorgeschrieben werden darüber hinaus Mindestdistanzen zwischen Bauwerken, Bauwerkshöhen, Dimensionen sowie Planungsstandards. Weiters wurde die Veröffentlichung der Baugenehmigung („licenza di costruzione“) in Artikel 10 vorgeschrieben.
Mit dem Gesetz 10 vom 28. Jänner 1977 („Normen zur Bebaubarkeit der Gründe“, das so genannte Bucalossi-Gesetz, benannt nach Pietro Bucalossi) werden Neuerungen eingeführt: Um die eine Baugenehmigung zu beantragen, muss der Eigentümer des Grundstücks oder der Immobilieneinheit einen Antrag einreichen, dem die erforderlichen Unterlagen zum Standort und zu den auszuführenden Arbeiten beigefügt waren. Die Legge Bucalossi führte die Baukonzession ein.
Die wichtigste Neuerung ist in den Artikeln 1 und 3, dass die Ausübung des Baurechts einer von der Gemeindeverwaltung gegen Zahlung einer Gebühr erteilten Baugenehmigung unterliegt und somit zu einer Konzession gegen eine vom Gemeinderat genehmigte Gebühr wird, die proportional zum Wert des Bauvorhabens ist.
Das Gesetz 431 vom 8. August 1985 (Galasso-Gesetz, nach Giuseppe Galasso benannt) ist ein Gesetz der Italienischen Republik, das auf regulatorischer Ebene eine Reihe von Schutzmaßnahmen für Landschafts- und Umweltgüter einführt und, um Bautätigkeiten durchzuführen, eine Genehmigung der zuständigen Behörde verlangt.
Im Wesentlichen hängt die weitere Entwicklung der Raumordnung in Italien von der Etablierung der Regionen ab. Mit dem Beschluss des Präsidenten der Republik vom 15. Januar 1972, Nr. 8 erfolgte die Übertragung der staatlichen Verwaltungsfunktionen im Bereich Urbanistik und Straßen, Aquädukte und öffentliche Arbeiten von regionalem Interesse sowie des damit verbundenen Personals und der Büros auf die Regionen mit ordentlichem Statut. Mit der Verfassunsgreform von 2001 unterstreicht der Staat, dass die Raumordnung den Verfassungsrang hat.
Insgesamt greifen im Bereich Raumordnung der Landschaftsschutz und die Raumentwicklung eng ineinander.
Ein erstes Landesgesetz Landschaftsschutz wurde als Landesgesetz 8 vom 24.7.1957 in Südtirol verabschiedet, das bereits zwei Drittel des Landes unter Schutz stellte und im Wesentlichen Grundzüge des Staatsgesetzes zu „natürlichen Schönheiten“ übernahm.
Die primäre Gesetzgebungsbefugnis in den Bereichen Raumordnung und Bauleitplänen war bereits im ersten Autonomiestatut von 1948 enthalten. Die erste landesspezifische Regelung erfolgte mit dem Landesgesetz vom 10. Juli 1960 betreffend Landesbauordnung. Alfons Benedikter wandte 1960 das faschistische Urbanistikgesetz 1150 vom 17. August 1942 auf Südtirol um und legte das Bauen deutlich restriktiver aus. Eingeführt wurde die Landesbauordnung und in der Folge die Genehmigungspflicht für Bauwerke, womit auch eine Kontrolle einherging. Zuvor reichte eine Hinterlegung und Genehmigung eines Plans in der Gemeinde ohne Kontrolle und Bauabnahme. Allerdings bestanden rechtliche Schwierigkeiten, da von staatlicher Seite aus beanstandet wurde, dass eine eigene Landesbauordnung in Ermangelung einer Durchführungsverordnung eine Kompetenzüberschreitung darstelle.
Das zweite Landesgesetz Landschaftsschutz wurde als Landesgesetz 16 vom 25. Juli 1970 im Wesentlichen durch Landesrat Alfons Benedikter ausgearbeitet. Die Raumordnung ist Teil des „Landschaftsschutzes“. Spätestens Ende der 1980er-Jahre wurde das Gesetz wesentlich aufgeweicht. Die Durchführungsbestimmungen zur Raumordnung folgten im Dekret des Präsidenten der Republik 381 vom 22. März 1974.
Das Dekret des Präsidenten des Landesausschusses vom 23. Juni 1970, Nr. 20 („Genehmigung des Einheitstextes der Landesgesetze zur Landesbauordnung“) wird in der Folge als „Landesraumordnungsgesetz“ bezeichnet.
Am 20. September 1973 wird das Dekret geändert: „In allen Bestimmungen des Sammeltextes der Gesetze über die Landesbauordnung, genehmigt mit Dekret des Präsidenten des Landesausschusses vom 23. Juni 1970, Nr. 20, in der Folge „Landesraumordnungsgesetz“ genannt, wird die Bezeichnung „Landeskoordinierungsplan“ durch die Bezeichnung „Landesraumordnungsplan“ ersetzt, die Bezeichnungen „Generalbebauungsplan“ und „Bauprogramm“ werden durch die Bezeichnung „Bauleitplan der Gemeinde“ ersetzt, die Bezeichnungen „Detailbebauungsplan“, „Grundstücksteilungsplan“ und „Erschließungsplan“ werden durch die Bezeichnung „Durchführungsplan“ ersetzt und die Bezeichnung „Beirat für Raumordnung“ wird durch die Bezeichnung „Landesraumordnung“ wird durch die Bezeichnung „Landesraumordnungskommission“ ersetzt.“
Das italienische Staatsgesetz Nr. 865 vom 22. Oktober 1971 („legge sulla casa“) beinhaltet eine wirtschaftliche und soziale Reform des Wohnbaus in Italien und führt den geförderten Wohnbau ein. Der Vokswohnbau („edilizia economica e popolare“) hat entsprechende Flächen im Umfang von 40 bis 70 Prozent des gesamten Wohnbedarfes für ein Jahrzehnt vorzusehen.
Südtirol reagiert mit dem Wohnbaureformgesetz (Landesgesetz 15 von 1972), das die Abtretung der Flächen für den geförderten Wohnbau beinhaltet. Da sich Schwierigkeiten in der Fragestellung ergeben, welche Flächen dem geförderten Wohnbau widmen zu seien, wird der Geniestreich getätigt, anlässlich jeder Ausweisung von Baugrund rund 50 Prozent dem geförderten Wohnbau zuzuweisen, womit eine soziale Durchmischung gesichert ist.
Das Landesgesetz 38 vom 20. September 1973 sieht die zuvor genannten Abänderungen zum Sammeltext der Gesetze zur Landesbauordnung vor und führt den Bauleitplan verpflichtend ein. Dieser Stichtag ist für die nachträgliche urbanistische „Sanierung“ von Baukubatur wichtig, auch im aktuellen Raumordnungsgesetz 9 / 2018.
Das Landesgesetz 3 vom 18. Jänner 1995 sieht die Genehmigung des Landesentwicklungs- und Raumordnungsplanes vor und nimmt auf die Durchführungsverordnungen von 1974 Bezug. Mit Gesetz 13 vom 11. August 1997 wird das Südtiroler Raumordnungsgesetz verabschiedet.
Literatur:
[1] Adolf Auckenthaler: „Entstehung und Entwicklung der Südtirol-Autonomie“, Autonome Region Trentino-Südtirol, Trient 2017
[2] Bruno Zanon: „Ambiente, territorio, cittá“, Alinea, Trento 2008
[3] Francesco Selicato & Francesco Rotondo: „Progettazione urbanistica – Teorie e tecniche“, McGraw Hill, Milano 2009


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