Wir befinden uns derzeit in einer post-bipolaren Welt. Das gilt heute umso mehr im Vergleich zu den 1990er-Jahren. Die Art und Weise, wie sich die Vereinigten Staaten zunehmend aus der Weltpolitik zurückziehen, – vor allem aus der Rolle des Weltpolizisten, und stattdessen nationale Interessen vertreten –, markiert diesen Übergang drastisch.
Freilich, auf der anderen Seite kann auch niemand ernsthaft von den Amerikanern verlangen, die eigenen Sicherheitsaufgaben zu übernehmen. Diese stellen ureigentliche Aufgaben von Staatlichkeit dar. Weltpolitisch lief es für die Amerikaner auf einen Deal hinaus: Sicherheit zum Preis von Gefolgschaft.
Herfried Münkler skizziert in „Welt in Aufruhr“ Theorien der Großraumordnung und markiert die diversen Hierarchien mit Staaten der ersten, zweiten, dritten und vierten Reihe. Für Europa stellt sich zunehmend die Frage, ob es geopolitisch zur ersten oder „nur“ zur zweiten Reihe gehören will.
Neorealistische Theorien gehen von einer allgemeinen machtpolitischen Anarchie aus und unterstellen jedem internationalen Akteur Eigeninteressen nach dem Leitsatz: Staaten haben keine Freunde, sondern nur Interessen. Im Gegensatz zu ideologischen Theorien, die leugnen, dass Staaten eigenständige Akteure sein können, die durch außenpolitische und nicht durch innenpolitische Motive gelenkt werden, ist der Neorealismus grundsätzlich amoralisch, was eine Stärke ist, lassen sich dadurch nämlich Konflikte nüchtern analysieren und kalkulieren.
Sowohl dem Neoliberalismus als auch dem Neomarxismus ist durch den praktizierten Internationalismus konkret vorzuhalten, Innenpolitik und Außenpolitik gegenseitig auszuspielen, die Außenpolitik als verlängerten Arm der Innenpolitik und die Innenpolitik als verlängerten Arm der Außenpolitik aufzufassen. Während im Neomarxismus internationale Klasseninteressen dominieren, sind es im Neoliberalismus die internationalen Konzerninteressen. Die Struktur ist eine ähnliche. Man kann und soll diese Mechanismen als „Weltinnenpolitik“ betiteln.
Demgegenüber muss es einen Begriff des Politischen geben, um Carl Schmitt heranzuziehen, und um in der Folgeeinen Begriff der Außenpolitik zu definieren, der souverän ist.

Ausgehend von diesen allgemeinen Prämissen lassen sich mit Blick auf die Konflikte dieser Welt verschiedene Stufen mit Interventionsmöglichkeiten festmachen:
- Konfliktprävention: Dabei sind vier Unterphasen kennzeichnend: a.) Pre-Conflict-Peacebuilding: Unternommen werden umfassende Versuche, spannungsgeladene Konstellationen gar nicht erst zu Eskalation kommen zu lassen. Der Konflikt befindet sich in der Phase der Latenz. b.) Päemptive Maßnahmen („präemptiv“ bedeutet vorbeugend, zuvorkommend): Es handelt sich dabei um Maßnahmen, um einen eskalierten Konflikt auf einem geringen Niveau zu halten. Als Maßnahme gilt hierbei das „fact-finding“, die Darstellung von eingetretenen Fakten und von potenziellen Eskalationsstufen. c.) Unmittelbare Krisenprävention und d.) Krisendiplomatie: Zeichnet sich eine militante Auseinandersetzung ab, wird diese auch bereits politisch vorgetragen, dann ist die Krisenprävention erforderlich.
- Konfliktmanagement: Eine bereits ausgebrochene Krise wird durch Schlichtungsversuche, Vorschläge und Verhandlungslösungen vor Eskalationen bewahrt. Das Konfliktmanagement befindet sich auf der Schwelle von der Krise zum Krieg. Maßnahmen sind: UN-Resolutionen über Sanktionen, Blockaden oder Embargos.
- Konfliktbeteiligung: Ist der Konflikt in das Stadium vollkommener Militarisierung eingetreten, sind nur noch militärische Interventionen denkbar, in denen eine Friedenserzwingung angestrebt wird und deren Ziel eine stabile Konfliktbeendigung ist.
- Konfliktlösung: Erst wenn sich die Konfliktbeendigung aufrechterhalten lässt, beginnt die Konfliktlösung mit den folgenden Unterstufen: a.) Beilegung (settlement): Die Beilegung ist angemessen, wenn der Konflikt zumindest vorübergehend deeskaliert und sich die Option ergibt, dass Dritte daran beteiligt werden, eine Reeskalation zu verhindern. Parallel sind Prozesse des Fact-Finding und Monitoring wesentlich. b.) Kompromissbildung: Gelingt die Vermittlung einer vorübergehenden Einigung, kann der Konflikt auf einen nicht-militärischen Bereich zurückgefahren werden. c.) Post-Conflict-Peacebuilding: Erlangte Kompromisse werden politisch und faktisch abgesichert und es werden Maßnahmen gesetzt, um jene Kräfte zu mäßigen, die einen Konflikt wieder antreiben könnten. d.) Rekonziliation: Angeregt werden zivile Prozesse, die den Konflikt dauerhaft in zivile Austragungsformen überführen.

Weiters ist eine „Agressologie“, also eine Aggressionserforschung, wichtig, um die Ursachen von Konflikten nachvollziehen zu können und um die Maßnahmen abzuwiegen:
- Worin liegt die Ressourcenbasis des Konfliktes? Ist der Konflikt das Ergebnis von Verteilungskämpfen hinsichtlich sozialer und materieller Ressourcen, wozu auch Prestige und Nationalismus gehören? Daraus ergibt sich auch die Frage, durch welche Ressourcen der Konflikt genährt wird und welche Maßnahmen denkbar sind, um diese Ressourcen zu unterbrechen.
- Inwiefern sind die Konflikte mit außenstehenden Faktoren verflochten, sind Konsequenzen denkbar, die diese Faktoren unterbinden? Oder handelt es sich um einen relativ unempfindlichen „Crazy state“?
- Welche Informationswege und Kommunikationsformen existieren?
- Welche Eskalationsformen und welche Deeskalationsformen sind erwartbar?
Gerade der Hinweis auf den „crazy state“ oder die „crazy group“ ist wichtig: Konflikte sind nicht immer rational zu begründen. Und gegen „crazy groups“ helfen noch nicht einmal Abschreckungsmaßnahmen zuverlässig.
Literatur:
[1] Alexander Siedschlag: „Neorealismus, Neoliberalismus und postinternationale Politik Beispiel internationale Sicherheit — Theoretische Bestandsaufnahme und Evaluation“, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 1997


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