In einem alpinen Land wie Südtirol sind die bebaubaren Flächen naturgemäß gering. Diese werden nicht nur durch den Landschaftsschutz eingegrenzt, sondern auch und vor allem durch die Geomorphologie, die das Bauen in bestimmten Lagen herausfordernd, aber auch riskant macht. Gefahrenzonenpläne sollen Abhilfe leisten.
Die Gefahrenzonenpläne sind in Südtirol seit 2007 vorgesehen und charakterisieren auf Gemeindeebene die hydrogeologischen Gefahren. Bezuggenommen wird auf die Europäische Richtlinie 2007/60 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken sowie auf das
- Gesetzesdekret 180 vom 11. Juni 1998: „Misure urgenti per la prevenzione del rischio idrogeologico ed a favore delle zone colpite da disastri franosi nella regione Campania“
- Dekret des Präsidenten des Ministerrates vom 29. September 1998 “Atto di indirizzo e coordinamento per l’individuazione dei criteri relativi agli adempimenti di cui all’art. 1, commi 1 e 2, del decreto legge n. 180 del 11 giugno 1998”
Mit diesen staatlichen Vorkehrungen wurden Risikozonen und in der Folge Schutzmaßnahmen eingeführt.
Wissenschaftliche Grundlage für die Erstellung des Gefahrenzonenplanes ist das Handbuch über die Methoden zur Analyse und Bewertung von Naturgefahren, vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) in Bern in den Jahren 1998 und 1999 veröffentlicht.
Die Durchführungsverordnung zum Raumordnungsgesetz 9 / 2018 ist mit Dekret 23 des Landeshauptmanns vom 10. Oktober 2019 geregelt. Der Gefahrenzonenplan ist gegenüber den Planungsinstrumenten auf Gemeindeebene vorrangig angeordnet.
Unterschieden wird zwischen den folgenden Naturgefahren:
- Massenbewegungen: Stürze, Rutschungen, Einbrüche, Hangmuren, tiefgreifende gravitative Hangdeformationen
- Wassergefahren: Überschwemmungen, Wildbachüberschwemmungen, Murgänge, Erosionen,
- Lawinen: Fließlawinen, Staublawinen, Gleitschnee.
Die nach den Naturgefahrentypen unterschiedenen Zonen mit hydrogeologischer Gefahr werden in folgende drei Stufen der Gefährdung eingeordnet:
Zone H4 (rote Zone / Verbotsbereich) – sehr hohe Gefahr: Es sind keine Neubauten zulässig. Zulässig sind allerdings Abbruch und Wiederaufbau sowie Anpassungen. Vor der Umsetzung von Eingriffen ist die hydrogeologische Kompatibilität zu prüfen, wobei ein mittleres spezifisches Risiko (Rs2) oder ein geringeres Risiko nachzuweisen ist.
Zone H3 (blaue Zone / Gebotsbereich) – hohe Gefahr: Neubauten sind unter Auflagen zulässig, insofern sich keine Alternativen finden lassen und das Projekt mit der Gefahrenlage kompatibel ist. Vor der Umsetzung von Eingriffen ist die hydrogeologische Kompatibilität zu prüfen, wobei ein mittleres spezifisches Risiko (Rs2) oder ein geringeres Risiko nachzuweisen ist.
Zone H2 (gelbe Zone / Hinweisbereich) – mittlere Gefahr: Neubauten sind zulässig, insofern das Projekt mit der Gefahrenlage kompatibel ist. Vor der Umsetzung von Eingriffen ist die hydrogeologische Kompatibilität zu prüfen, wobei ein mittleres spezifisches Risiko (Rs2) oder ein geringeres Risiko nachzuweisen ist.
Untersuchte Zonen, die zum Zeitpunkt der Erhebung keine Gefahr darstellen, sind grau markiert.
In den Gefahrenzonen H4, H3 oder H2, die in den Plänen ausgewiesen sind, können die zuständigen Behörden die Eingriffe genehmigen, sofern diese die Bodenstabilität, das hydrogeologische Gleichgewicht der Hänge, die hydraulische Funktionalität und die Sicherheit des Territoriums verbessern oder zumindest nicht verschlechtern.
Die Bearbeitungstiefe legt die Untersuchungsintensität fest: Die Bearbeitungstiefe BT05 sieht detaillierte Geländeerhebungen und üblicherweise den Einsatz von numerischen Modellierungen vor. Die Bearbeitungstiefe BT10 sieht weniger detaillierte Geländeerhebungen und nur beschränkt den Einsatz von numerischen Modellierungen vor.
In Gebieten mit starker Urbanisierung und in jenen eine Urbanisierung vorgesehen ist, wird zwingend eine Bearbeitungstiefe BT05 angewandt. Die Detailvorgaben je Gefahrensituation sind in der Richtlinie enthalten.
Die Erstellung der Gefahrenzonenpläne sowie die Bewertung der Gefahren sind gemäß Richtlinien durchzuführen und legen die mechanischen Parameter fest:

Laut Artikel 10 der Durchführungsbestimmung ist in Gebieten, in denen keine Gefahrenzonenpläne vorhanden sind, eine Gefahrenprüfung durchzuführen. Die Gefahrenprüfungen können von Fachleuten ausgearbeitet werden, welche in den Berufsverzeichnissen der Ingenieure, der Geologen oder der Agronomen und Forstwirte eingetragen sind. Eine Prüfung ist grundsätzlich nur dann notwendig, wenn es sich um Eingriffe handelt, die urbanistisch relevant sind. Eine Netzinfrastruktur ist beispielsweise nicht relevant.
Laut Artikel 11 ist bei Gebieten, in denen ein Gefahrenzonenplan vorliegt, die hydrogeologische Kompatibilität zu überprüfen. Diese stellt die Verträglichkeit des Projektes mit den auf der hydrogeologischen Gefahrenzonenkarte der Gemeinde aufgeführten Gefahren fest.
Die Ermittlung des spezifischen Risikos erfolgt mittels analytischer Abschätzung der zu erwartenden Folgen entsprechend der einwirkenden Naturgefahren und der Bauweise der Strukturen.
Wird eine Rückstufung einer Gefahrenzone beabsichtigt, so erfolgt eine Machbarkeitsstudie, die eine Kosten-Nutzen-Analyse vorsieht. Zu den Kosten zählen Errichtungs- und Instandhaltungskosten durch Variantenstudien, während die erwartbaren Schäden im Falle einer Naturkatastrophe den Nutzen beziffern. Es folgt die Bemessung der Schutzbauwerke sowie die Vergabe eines Auftrages für eine Gefahrenprüfung.
Gesetzgebung und technische Dokumentation betreffend Gefahrenzonenplänen: Link.
Literatur:
[1] Jürgen Suda und Florian Rudolf-Miklau: „Bauen und Naturgefahren – Handbuch für konstruktiven Gebäudeschutz“, Springer, Wien New York 2011
[2] Konrad Bergmeister, Jürgen Suda, Johannes Hübl, Florian Rudolf-Miklau: „Schutzbauwerke gegen Wildbachgefahren – Grundlagen, Entwurf und Bemessung, Beispiele“, Ernst und Sohn Verlag, Berlin 2009


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