Andreas Hofer eignet sich naturgemäß zum Volkshelden. Aber nicht nur: Der Tiroler Volksaufstand war in ganz Europa Anleitung zum Widerstand. Faktisch ist Andreas Hofer ein tragischer Held der Freiheit.
Die Worte „Mit dem verrat’nen Deutschen Reich“ im „Andreas Hofer Lied“ des Burschenschafters Julius Mosen von 1831 geben die Enttäuschung Hofers über den mangelnden Beistand der Habsburger wieder. Hintergrund ist, dass Tirol 1805 im Frieden von Pressburg an Bayern abgetreten wurde.
Österreich erlitt zuvor im 3. Koalitonskrieg an der Seite Russlands gegen Frankreich mehrere Niederlagen, besonders in der Schlacht bei Austerlitz am 2. Dezember 1805. Die Friedensverhandlungen fanden in Pressburg statt und mit ihnen die Abtretung Tirols an Bayern.
Unter bayrischer Herrschaft erlitt Tirol gleich mehrere, folgenschwere Demütigungen: Die Missachtung der Tiroler Wehrverfassung, des Landlibells, wog schwer. Ebenso führten neue Steuern zu einer Eskalation. Andere Reformen wie die josephinische Kirchenreform und Eingriffe in das religiöse Leben erregten – im bäuerlich-ländlichen Tirol, das stark durch kirchliche Strukturen beherrscht wurde -, viel Unmut.
Insbesondere die religiösen Befindlichkeiten Tirols sind in Nachbetrachtung durchaus ambivalent zu betrachten. Zweifelsfrei handelte es sich um eine in weiten Teilen vormoderne Gesellschaftsform. Andreas Hofer und die Freiheitskämpfer waren Kinder ihrer Zeit. Die rückblickend starke Religiosität ist zwar ein Abbild jener Zeit, hat aber denkbar wenig mit der Tiroler Wehrhaftigkeit zu tun, die später sinnvollerweise säkularisiert wurde.
Vor allem die Zwangsrekrutierung für die bayrische Armee weckte im April 1809 zu Recht den Tiroler Widerstand.
1809 trat Österreich unter Kaiser Franz I. erneut in den Krieg gegen Napoleon ein (Fünfter Koalitionskrieg) und ermutigte die Tiroler, sich zu erheben. Der Margreider Franz von Fenner wirkte im Zuge dieses fünften Koalitionskrieges als Generalmajor in Tirol aufseiten des ordentlichen österreichischen Heeres.
Die Tiroler kämpften als Bauernmilizen, oft mit traditionellen Waffen wie Gewehren, Sensen oder Steinlawinen in den Bergen. Die Fragestellung nach dem Wesen des Partisanen ist durchaus interessant und wird durch Carl Schmitt – mit Blick auf Andreas Hofer – positiv beantwortet, wenngleich der Begriff des „Partisanen“ spätestens im 20. Jahrhundert eine umstrittene politische Konnotation erhält.
Die Schlachten der Tiroler waren:
- Die Erste Bergiselschlacht (12. April 1809): Die Tiroler Aufständischen besiegen die bayerischen Truppen und zwingen sie zum Rückzug. Innsbruck wird befreit.
- Die Zweite Bergiselschlacht (25.–29. Mai 1809): Nach einem kurzen Rückzug schlagen Andreas Hofer und seine Truppen die Bayern erneut. Innsbruck wird ein zweites Mal eingenommen.
- Die Dritte Bergiselschlacht (13. August 1809): Hofer führt die Tiroler zum größten Sieg gegen die bayerischen und französischen Truppen. Er übernimmt als „Oberkommandant“ die Herrschaft in Tirol.
- Die Vierte Bergiselschlacht (1. November 1809): Nach der österreichischen Niederlage im Frieden von Schönbrunn (14. Oktober 1809) wird Tirol endgültig Napoleon überlassen. Eine letzte Schlacht am Bergisel geht verloren, und die Franzosen und Bayern nehmen Innsbruck ein.
Mosens Gedicht drückt die Verbitterung darüber aus, dass das Reich und die Habsburger die Tiroler geopfert hatten. Das „verratene Deutsche Reich“ bezieht sich auf das Heilige Römische Reich, das 1806 unter Napoleons Druck aufgelöst wurde.
Andreas Hofer hatte im Tiroler Volksaufstand von 1809 noch die Unterstützung Österreichs, insbesondere von Erzherzog Johann. Nach der Niederlage Österreichs gegen Napoleon in der Schlacht bei Wagram und dem anschließenden Frieden von Schönbrunn musste Österreich Tirol offiziell an Bayern und damit an die Franzosen abtreten.
Kaiser Franz I. und sein Hof in Wien gaben den Tiroler Widerstand auf, um sich auf die eigene politiwche Lage zu konzentrieren.
Die Habsburger hatten in Tirol zwar zum Aufstand ermutigt, als die politische Lage sich aber änderte, war Tirol für sie strategisch nicht mehr wichtig genug. Erzherzog Johann, der die Tiroler unterstützt hatte, erhielt den Befehl, sich zurückzuziehen – damit war Hofer ohne Unterstützung.
Hofer und seine Mitstreiter wussten lange nichts von diesem Friedensschluss und kämpften weiter. Selbst als Andreas Hofer vom Frieden erfuhr, wollte er nicht aufgeben. Er glaubte an ein erneutes Eingreifen der Habsburger, was nicht geschah.
Als Andreas Hofer schließlich erkannte, dass Österreich ihn nicht mehr unterstützte, zog er sich in eine entlegene Berghütte im Passeiertal zurück. Dort wurde er jedoch im Januar 1810 durch den Verrat von Franz Raffl gefasst und an die Franzosen ausgeliefert. Napoleon ließ ihn am 20. Februar 1810 in Mantua erschießen.
Die Habsburger intervenierten im Gegensatz zu den Bürgern der Stadt Mantua nicht, um Hofers Leben zu retten.
Die Zeile „Ganz Deutschland ach in Schmach und Schmerz“ ist auch ein Wink zum aufkeimenden Befreiungskampf, des sich aufbauenden Widerstands gegen die französische Herrschaft in ganz Deutschland.
War der Freiheitskampf in Tirol zwar verloren, so ermutigte dieser Freiheitskämpfer in ganz Deutschland, zu den Waffen zu greifen und die französische Tyrannei abzuschütteln.
Die Sechsten Koalitionskriege (1813–1814) werden auch als Befreiungskriege bezeichnet, weil viele europäische Staaten versuchten, sich von der Herrschaft Napoleons zu befreien. Nach dem gescheiterten Russlandfeldzug 1812, bei dem die Grande Armée fast vollständig vernichtet wurde, war Frankreich militärisch und wirtschaftlich geschwächt. Europas Mächte nutzten diese Gelegenheit, um sich gegen Napoleon zu verbünden.
Fenner von Fennberg stellte sich an die Spitze der Tiroler Aufständischen an der Mühlbacher Klause, am 3. Oktober bei Percha und am 7. Oktober 1813 erneut an der Mühlbacher Klause und konnte einen Sieg erringen.
Tirol blieb bis 1814 unter bayerischer Herrschaft, kam nach Napoleons gänzlicher Niederlage wieder zu Österreich. Europa wurde am Wiener Kongress 1815 neu geordnet. Unter der Leitung des österreichischen Außenministers Fürst Klemens von Metternich setzte die Restauration ein, die die kurze Hoffnung der Völker, kollektive und individuelle Freiheit zu erlangen, beendete und in der Folge die März-Revolutionen und die Märzrevolutionen 1848 verursachte.
Selbstkritisch ist festzuhalten, dass die Gesellschaft, die Andreas Hofer vorfand, nicht jene Gesellschaft ist, die wir heute wollen. Andreas Hofer war ein Kind seiner Zeit und die Welt, zu der er implizit beitrug, konnte er wohl selbst noch nicht erahnen.
Andreas Hofers Heldentod motivierte in der Folge den deutschen Freiheitskampf, der zunehmend mit freiheitlichen Wertsetzungen verbunden wurde und nicht nur die Freiheit als Volk, sondern auch und vor allem die Freiheit des Einzelnen gegen die Tyrannei zum Inhalt hatte. Folglich gab sich der deutsche Freiheitskampf nicht mit der Restaurationspolitik ab 1815 zufriedeb, sonden kämpfte gegen Fürsten und Tyrannen für die Freiheit.
Der Mythos Tiroler Freiheitskampf entwickelte auch außerhalb Tirols eine literarische und politische Bedeutung. Ernst Moritz Arndt betitelte Andreas Hofer als den „berühmtesten Namen Deutschlands“ und stellte diesen in eine Reihe mit den Freiheitshelden der klassischen Antike. Arndt propagierte die Idee des Freiheitskampfes gegen fremde Unterdrückung, insbesondere gegen die napoleonische Besatzung. Seine Schriften ermutigten die Deutschen, sich gegen fremde Herrschaft zu erheben und für ihre Freiheit zu kämpfen.
Der starke Einzelne wollte sich zunehmend nicht mehr als Untertan verstehen, sondern als Souverän im Sinne einer republikanischen Weltauffassung, gegen die feudalistische Tyrannei aufbegehren. Andreas Hofer wusste davon recht wenig, doch die Initialzündung hatte er gelegt.


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