Teilsicherheitsbeiwerte sind in der Geotechnik relativ kompliziert und infolgedessen eine kompexere Angelegenheit als im Hochbau, gerade auch deshalb, weil der Boden Einwirkung und Widerstand zugleich ist und das Wasser da und dort vielfältige Prozesse auslöst.
Laut Eurocode 7 (EN 1997-1) werden die Grenzzustände der Tragfähigkeit – GZT (Ultimate Limit States – ULS) in verschiedene Kategorien unterteilt. Diese Grenzzustände betreffen Situationen, in denen die Tragfähigkeit oder die Standsicherheit eines Bauwerks oder Bauteils versagen könnte.
EQU („equilibrum“): Verlust des Gleichgewichts des Bauwerks oder eines Bauteils als starrer Körper (z. B. Kippen oder Gleiten eines Fundamentes).
STR („structure“): Versagen oder unzulässige Verformung einer Struktur oder eines Teils davon (z. B. Bruch von Bauteilen). Gemeint sind im Bereich Geotechnik etwa Fundamente, Pfähle oder Wände.
GEO („geotechnics“): Versagen oder sehr große Verformungen des Baugrunds; entscheidend ist die Festigkeit des Bodens oder Felsens. Der Eurocode 7 unterscheidet drei Nachweisverfahren, nämlich GEO-1, GEO-2 und GEO-3. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Teilsicherheitsbeiwerte als A für Einwirkungen, M für Bodenkennwerte und R für Widerstände bezeichnet werden.
- Nachweisverfahren 1: Es werden Teilsicherheitsbeiwerte in unterschiedlichen Kombinationen auf die Einwirkungen oder Beanspruchungen (A), auf die Bodenwiderstände (R) und fallweise auf die Baugrund-Kenngrößen (M1, M2) angewandt.
- Nachweisverfahren 2: Es werden Teilsicherheitsbeiwerte auf die Einwirkungen oder Beanspruchungen (A) und auf die Bodenwiderstände (R), nicht aber auf die Baugrund-Kenngrößen angewandt.
- Nachweisverfahren 3: Bei diesem Verfahren werden Teilsicherheitsbeiwerte auf die Einwirkungen oder Beanspruchungen oder Beanspruchungen (A) und auf die Baugrund-Kenngrößen (M) angewendet, nicht aber auf die Widerstände (R).
UPL („uplift“): Gleichgewichtsverlust infolge Auftrieb oder Wasserdruck.
HYD („hydraulic“): Hydraulisches Versagen durch hydraulischen Grundbruch oder innere Erosion.
Bezugnehmend auf den Grenzzustand der Tragfähigkeit gilt, dass GEO-1 in Deutschland nicht anzuwenden ist. GEO-2 bezieht sich auf Versagen oder große Verformungen in Zusammenhang mit Schnittgrößen bei der Verwendung der Scherfestigkeit bei:
- Erdwiderstand
- Gleitwiderstand
- Grundbruchwiderstand
- Nachweis der Standsicherheit in der tiefen Gleitfuge.
GEO-3 bezieht sich auf Versagen oder große Verformungen in Zusammenhang mit der Gesamtstandfestigkeit bei der Verwendung der Scherfestigkeit bei:
- Böschungsbruch
- Geländebruch
- Standsicherheit von konstruktiven Böschungssicherungen
In Österreich wird für Flächengründungen, Pfahlgründungen, Verankerungen und Stützbauwerke das Nachweisverfahren 2 (bzw. häufig 2* genannt) angewandt. Für Böschungs- und Geländebruch wird das Nachweisverfahren 3 geführt.
In Italien sind laut „Norme tecniche per le costruzioni” (NTC – 2018) für die Nachweisformate STR und GEO zwei Ansätze vorgesehen:
- Bei Ansatz 1 werden die Nachweise mit zwei unterschiedlichen Kombinationen von jeweils definierten Gruppen von Teilkoeffizienten für die Einwirkungen (F), für den Widerstand der Materialien (M) und ggf. für den Gesamtwiderstand des Systems (R) durchgeführt. Für die Einwirkungen stehen dabei in der Tabelle der Teilsicherheitsbeiwerte 2 Spalten (A1 und A2) zur Verfügung, wobei die ungünstigere Kombination zu verwenden ist.
- In Ansatz 2 wird eine einzelne Kombination der für die Einwirkungen (F) definierten Gruppen von Teilkoeffizienten verwendet der Materialien (M) und ggf. für den Gesamtwiderstand (R). Bei diesem Ansatz werden für die Anteile die in Spalte A1 angegebenen Koeffizienten verwendet. Die Koeffizienten M und R werden in den folgenden Kapiteln definiert.
Literatur:
[1] Conrad Boley: „Handbuch Geotechnik – Grundlagen, Anwendungen, Praxiserfahrungen“, Vieweg Teubner, Wiesbaden 2012


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