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Was ist ein „schwieriger“ Baugrund?

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Bauherren können mit der Frage eines „schwierigen“ Baugrundes konfrontiert werden, insbesondere dann, wenn das Baugrundstück geologisch oder hydrologisch anspruchsvolle Bedingungen aufweist. Ein komplizierter Baugrund kann verschiedene Herausforderungen mit sich bringen, die sowohl die Planung als auch die Bauausführung beeinflussen.

Ein „schwieriger“ Baugrund bezeichnet Bodenverhältnisse, die besondere Herausforderungen für den Bau eines Gebäudes darstellen und von den üblichen, tragfähigen Bodenbedingungen abweichen. Solche Bedingungen erfordern oft zusätzliche Maßnahmen, um die Stabilität und Sicherheit des Bauwerks zu gewährleisten.

Nach Eurocode 7 (EN 1997-1) werden Geotechnische Kategorien (GK) definiert:

Geotechnische Kategorie 1 (GK1): Geringer Schwierigkeitsgrad

Merkmale: Einfache und kleine Bauwerke mit geringen Risiken für Mensch und Umwelt, standardisierte und leicht verständliche Baugrundbedingungen, direkte und einfache Gründungen (z. B. Flachgründungen), Geringe Einwirkungen auf benachbarte Bauwerke oder die Umgebung.

Bauwerke in GK1 können auf Grundlage von Erfahrungen und qualitativen Untersuchungen errichtet werden. Es handelt sich um Bauwerke mit einem vernachlässigbarem Risiko.

Zur GK1 gehören:

  • setzungsunempfindliche, flach gegründete Bauwerke, bei denen Streifenlasten ≤ 100 kN/m und Stützenlasten ≤ 250 kN auftreten
  • Einzel- und Streifenfundamente, für die ein vereinfachter Tragfähigkeitsnachweis geführt werden darf mit dem Nachweis der Einhaltung des zulässigen Sohlwiderstands
  • Gründungsplatten für maximal zweigeschossige und gut ausgesteifte Bauwerke
  • Stützbauwerke bei Geländesprunghöhen von ≤ 2m ohne hohe Auflasten
  • geböschte Baugruben und nicht verbaute Gräben ohne Einwirkung aus Grundwasser
  • auf tragfähigem Baugrund gegründete Erddämme mit Höhen von ≤ 3m
  • auf tragfähigem Baugrund gegründete Erddämme mit ständiger oder zeitweiser Wasserbelastung und einer Höhe des maßgebenden Stauwasserspiegels über dem luftseitig anschließenden Gelände von ≤2m
  • Bauwerke, bei denen das Grundwasser unterhalb der Baugrubensohle bzw. der Gründungssohle liegt
  • Bauwerke in waagerechtem oder schwach geneigtem Gelände mit einem Baugrund, der nach gesicherter örtlicher Erfahrung als tragfähig und setzungsarm bekannt ist
  • Bauwerke, für die nach DIN EN 1998-5/NA [105] kein Nachweis der Standsicherheit gegen Erdbebenbelastung geführt werden muss
  • Bauwerke, durch die bzw. durch deren Errichtung Nachbargebäude, Verkehrswege, Leitungen usw. in ihrer Standsicherheit nicht gefährdet oder in ihrer Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt werden können.

Liegt GK1 vor, sind Informationen über die allgemeinen Baugrundverhältnisse und die örtlichen Bauerfahrungen der Nachbarschaft einzuholen, die Boden- bzw. Gesteinsarten und ihre Schichtung zu erkunden (durch Schürfe, Kleinbohrungen und Sondierungen), die Grundwasserverhältnisse vor, während und nach der Bauausführung abzuschätzen, die ausgehobene Baugrube zu besichtigen.

Geotechnische Kategorie 2 (GK2): Mittlerer (üblicher) Schwierigkeitsgrad

Merkmale: Bauwerke mit mittleren Anforderungen an die geotechnische Planung, komplexere Bodenbedingungen oder höhere Lasten als in GK1, häufig ist eine detailliertere geotechnische Untersuchung erforderlich, mögliche Interaktionen mit benachbarten Bauwerken oder der Umgebung.

Grundsätzlich fallen in GK2 „durchschnittliche“ Baugrundverhältnisse, die weder GK1 noch GK3 zuzuordnen sind. „Durchschnittlich“ sind ebenso die Grundwasserverhältnisse. Diese liegen beispielsweise höher als die Bauwerkssohle, sind aber mit üblichen Maßnahmen beherrschbar zu machen.

Zu GK2 gehören:

  • übliche Hoch- und Ingenieurbauten auf Einzelfundamenten, Streifenfundamenten, Gründungsplatten auf Baugrund mit durchschnittlichen Baugrundverhältnissen sowie auf Pfahlgründungen,
  • Brückenpfeiler und Brückenwiderlager
  • Leitungsgräben mit Tiefen von ≤5m
  • Bauvorhaben, bei denen ein schädlicher Einfluss der Baumaßnahme auf Nachbarschaft und Umgebung durch konstruktive Maßnahmen verhindert werden kann, beispielsweise durch dichte und steife Baugrubenumschließungen
  • Boden- und Felsdeponien ohne Kontamination,
  • übliche Horizontalbohrungen für den Leitungsbau,
  • Kurzzeitanker,
  • Stützbauwerke und Baugruben mit Geländesprunghöhen von ≤ 10m
  • Bauvorhaben, für die ein Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen nicht verankerter Konstruktionen bzw. hydraulischen Grundbruch zu führen ist
  • Böschungen mit Höhen von ≤ 10m bei nichtbindigen Böden, bindigen Böden mit mindestens
  • steifer Konsistenz oder Fels mit bekannten geotechnischen Eigenschaften,
  • Erddämme mit Höhen von ≤ 20m in ebenem oder flach geneigtem Gelände auf tragfähigem Untergrund, mit Höhen des maßgebenden Stauwasserspiegels über dem luftseitig anschließenden
  • Gelände von ≤4m
  • Tunnel in hartem, ungeklüftetem Gestein und ohne besondere Wasserdichtigkeit oder andere Anforderungen.

Liegt GK2 vor, ist die Sichtung und Bewertung vorhandener Unterlagen sowie eine geologische Beurteilung vorzunehmen, ein weitmaschiges Untersuchungsnetz anzulegen, oder, abhängig von der Zugänglichkeit, an ausgewählten Stellen, eine stichprobenhafte Feststellung von maßgebenden Kenngrößen und Eigenschaften des Baugrunds durchzuführen.

Geotechnische Kategorie 3 (GK3): Hoher Schwierigkeitsgrad

Merkmale: Komplexe oder große Bauwerke mit hohen Anforderungen an Sicherheit und Stabilität, schwierige oder unsichere Baugrundverhältnisse, besondere Risiken für Mensch, Umwelt oder benachbarte Bauwerke. Oft sind spezielle Berechnungen, Überwachungen und Expertenwissen erforderlich.

Zu GK3 gehören ungewöhnliche oder besonders schwierige Baugrundverhältnisse:

  • Geologisch junge Ablagerungen mit regellosen Schichtungen bzw. geologisch wechselhaften Formationen,
  • Zum Kriechen, Fließen, Quellen oder Schrumpfen neigende Böden,
  • Quell- und schrumpffähige Felsarten,
  • Bindige Böden, deren Restscherfestigkeit maßgebend sein kann,
  • Bindige Böden ohne ausreichende Duktilität, beispielsweise strukturempfindliche Seetone
  • Weiche organische und organogene Böden mit größerer Mächtigkeit,
  • Zur Auflösung oder zum Zerfall neigende Felsarten (Salz, Gips usw.),
  • Fels mit Störzonen oder Trennflächen, die bezüglich des Bauvorhabens ungünstig verlaufen
  • An Standorten in Bergsenkungsgebieten und in Gebieten mit Erdfällen sowie an Standorten mit ungesicherten Hohlräumen,
  • In Bereichen unkontrolliert geschütteter Auffüllungen
  • Sehr große Bauwerke
  • Bauwerke mit außergewöhnlichen Risiken
  • Bauwerke in seisimisch stark betroffenen Gebieten
  • Weitgespannte Brücken (Spannweiten über 40 Meter)
  • Hohe Türme
  • Maschinen mit hohen dynamischen Lasten
  • erhebliche zyklische, dynamische oder stoßartige Einwirkungen auf Pfahlgründungen
  • Neigungen von Zugpfählen mit < 45°
  • die Beanspruchung von Pfählen quer zur Pfahlachse aus Seitendruck oder Setzungsbiegung
  • die Nachweisführung der Gesamtstandsicherheit von Hängen, Böschungen, Dämmen, nicht verankerten
  • Stützbauwerken und Baugrubenwänden sowie konstruktiven Böschungssicherungen mit Höhen von > 10m

Liegt GK3 vor, sind die Untersuchungen nach GK2 zu führen. Zudem ist zu prüfen, ob Untersuchungen durchzuführen sind, die über den Kontext von GK2 hinausreichen.

Da das Baugrundrisiko in der Regel beim Bauherren liegt, bedeuten „schwierige“ Baugrundverhältnisse:

  • Zusätzliche Kosten: Komplizierte Baugrundverhältnisse erfordern eine intensivere Baugrunduntersuchung und spezielle geotechnische Maßnahmen.
  • Planungsaufwand: Die Planung muss in Zusammenarbeit mit Geotechnikern, Statikern und gegebenenfalls weiteren Experten wie Geologen oder Hydrogeologen erfolgen.
  • Verlängerte Bauzeit: Zusätzliche Untersuchungen und spezielle Bauverfahren können die Bauzeit verlängern.
  • Unsicherheiten: Bauherren könnten aufgrund unerwarteter Baugrundbedingungen mit folgenreichen Änderungen während der Bauphase konfrontiert werden.

Literatur:

[1] Jürgen Schmitt, Ulrich Burbaum, Antje Bormann: „Simmer Grundbau 1 – Bodenmechanik und erdstatische Berechnungen“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2022

[2] Gerd Möller: „Geotechnik – Bodenmechanik“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2013

[3] Helmut Prinz und Roland Strauß: „Ingenieurgeologie“, Springer Spektrum, Berlin 2017

2 Antworten zu „Was ist ein „schwieriger“ Baugrund?”.

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