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Der geschlossene Hof in Tirol (und Südtirol): Ursprung und Höferecht

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Urkundlich ist seit dem 8. Jahrhundert im Gebiet des bayrischen Stammes (und infolgedessen im späteren Tirol) von Höfen (curia, curtis) als landwirtschaftlichen Bertriebs- und Besitzeinheiten die Rede [3]. Die Unteilbarkeit ist zentral.

Güterteilungen sind ab dem 15. und 16. Jahrhundert nur dann üblich, wenn durch Rodungen und Nutzbarmachen von Auen die Erträge gesteigert werden konnten, sodass diese auf mehrere bäuerliche Familien aufgeteilt werden konnten. Dazu bedurfte es der Zustimmung des Grundherrn, der an der Leistungsfähigkeit des Betriebes wesentlich interessiert war.

Wesentlich ist laut Otto Stolz, dass die Tiroler Landesordnung von 1532 nicht der Tendenz folgte, die in anderen deutschen Ländern praktiziert wurde, dass nämlich das römische Recht weitgehend übernommen wurde, sondern dass das germanische Grundbesitzrecht erhalten blieb.

Das Anerbenrecht, also die Vererbung des Eigentums an einen Nachkommen (teilweise der Älteste oder der Jüngste) hatte in Tirol im 16. Jahrhundert den Charakter eines „Landesbrauchs“ oder „Gerichtsbrauchs“. Die landesfürstliche Verordnung über die „Erbfolge des Bauernstandes“ von 1787 bestimmte den ältesten Sohn als den rechtmäßigen Erben.

Im westliche Oberinntal und im oberen Vinschgau wurde hingegen vielfach die Teilung im Erbwege praktiziert. Dies mag am rätoromanischen Charakter liegen, aber auch an der größeren Anzahl an freien Gütern, bei welchen die Grundherren weniger Einfluss hatten.

Der Begriff des „geschlossenen Hofes“ bezieht sich nicht auf eine räumliche Zusammengehörigkeit, sondern auf eine besitzrechtliche, und wurde im theresianischen Kataster ab 1830 und im Grundbuch ab 1896 festgehalten.

Der geschlossene Hof ist nach Edoardo Mori und Werner Hintner folglich eine „Institution des germanischen Rechtes“ [1], welche auf der Unteilbarkeit des Hofes gründet. Der „Hof“ bezeichnet eine umschlossene Fläche. Es oblag im germanischen Recht der Marktgemeinschaft, Grund und Boden aufzuteilen.

Die Konstellation des so genannten „Anerbenrechtes“ verhinderte die Bildung von Großgrundbesitz und stabilisierte die Familie oder Sippe dadurch, dass meistens der Älteste den Hof übernahm, die Jüngeren in das Handwerk oder in die Geistlichkeit gingen oder Pächter wurden, jedoch die Sicherheit hatten, im Notfall am Hof unterkommen zu können.

Der Wert eines Hofes besteht gemäß des Prinzips des geschlossenen Hofes nicht im Kapital, sondern im Ertrag, der die Familie nährt. Durch Fleiß und Schweiß war es dem Bauerntum möglich, durch Urbarmachung von Wald und Heide den Grundbesitz zu erweitern. Wesentlich war zur Etablierung des Höferechtes die Definition der „Mindestkultureinheit“, die den Bestand der Familie zu sichern hatte.

In Tirol gibt es – im Gegensatz zu anderen österreichischen Ländern – historisch „keine formale rechtliche Bindung des Grundbesitzes an einen bestimmten Stand“ [3]. Während das österreichische Landrecht die Erwerbung von Eigentum an einen bestimmten Stand knüpfen, ist eine derartige Bindung in Tirol nicht urkundlich ersichtlich. Ersichtlich ist hingegen, dass seit dem 16. Jahrhundert öfters Bürger und Bauern Güter erwerben, die bisher im Eigentum der Stifte und es Adels standen.

Anders verhielt sich die Sachlage im Welschtirol oder Trentino. Praktiziert wurde die romanische Realteilung. Das Erbe wurde gleichmäßig unter den Erben aufgeteilt. Das Eigentum wurde infolgedessen immer weiter zerstückelt, wodurch sich der Großgrundbesitz mehrte, weil die Landstriche, die nicht mehr für den eigenen Unterhalt ausreichten, veräußert wurden.

Durch den Großgrundbesitz wurden zahlreiche Pachtverhältnisse begründet. In Deutschtirol wurde die Pacht auf einen festen Geldzins abgeschlossen. Der Pächter konnte das Grundstück frei bewirtschaften und war betriebswirtshaftlich unabhängig. In Welschtirol herrschte das so genannte „Kolonat“ vor, begrifflich von „colonus“, Ackerbauer.

„Mezzadria“ bezeichnet die romanische Pachtwirtschaft und kommt begrifflich von „colui che divide a metà“ („wer in zwei Hälften teilt“). Gemeint ist die Naturalpacht. Die Mezzadria war nicht als Erbrecht vergeben, sondern auf Jahresfrist verliehen. Der „Kolone“ übergibt dem „Padrone“ den gesamten Jahresertrag und erhält anschließend einen Anteil am Erlös. Darüber hinaus erhält der „Kolone“ die Unterkunft.

Welches Recht spezifisch praktiziert wurde, erklärt sich über das so genannte „gelebte“ Recht und die Gewohnheit, sodass davon ausgegangen werden kann, dass sich die Unterscheidung nach germanischer oder romanischer Rechtspraxis durchaus kulturell vollzogen hat. „Bei diesen allseitigen Festhalten an einem persönlichen, durch die Abstammung gegebene Rechte ward es insbesondere in Italien üblich, dass bei den Rechtsgeschäften die beteiligten Personen vorerst das Recht, nach dem sie lebten, angaben, die sogenannte „confessio iuris“ ableisteten“ [2].

Otto Stolz spricht in Bezug auf die Landwirtschaft im Welschtirol von „ungehemmter Teilung“ [3]. Geschlossenen Höfe habe es im Trentino bereits Mitte des 19. Jahrhunderts kaum noch gegeben. Diese hätten sich nur in jenen Höhenlagen gehalten, in denen Ackerbau und Viehzucht betrieben wurde und zu dessen Zweck ab dem 12. Jahrhundert deutsche Siedler angeworben und mit der „locatio perpetua“ (Erbpacht) ausgestattet wurden. Meinhard II. hatte die Erbpacht in Tirol eingeführt.

Otto Stolz hält fest, dass in Welschtirol, „besonders in der Ebene des Etschtals von Salurn südwärts“ der Teilbau in der Form der Zeitpacht („locatio temporaria“) oder des Kolonats vorherrschte.

Literatur:

[1] Edoardo Mori & Werner Hintner: „Der geschlossene Hof – Geschichtliche Entwicklungen und geltende Bestimmungen“, Fondazione UPAD, Bozen, Mai 2013

[2] Otto Stolz: „Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden“, Verlagsanstalt Oldenbourg, München und Berlin 1927

[3] Otto Stolz: „Rechtsgeschichte des Bauernstandes und der Landwirtschaft in Tirol und Vorarlberg“, Ferrari-Auer Verlag, Bozen 1949

2 Antworten zu „Der geschlossene Hof in Tirol (und Südtirol): Ursprung und Höferecht”.

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    […] einen besonderen rechtlichen Schutz. Das Höfegesetz von 2001 bewahrt diese Betriebe – in historischer Tradition – vor Zersplitterung und sichert ihre landwirtschaftliche Nutzung. Diese Schutzfunktion wird […]

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