Demanega

#ingenieurbaukultur

Arthur Casagrande (1902 – 1981)

Published by

on

Neben Karl Terzaghi, dem Begründer der Bodenmechanik, gilt Arthur Casagrande als einer der wichtigsten Pioniere der Geotechnik, der nicht nur bedeutende theoretische und laborpraktische Beiträge zur Bodenmechanik leistete, sondern maßgeblich an der Weiterentwicklung der Bodenmechanik in den USA beteiligt war.

Arthur Casagrande wurde 1902 in Haidenschaft (Görz, Österreich) geboren. Haidenschaft kam als „Aidussina“ nach dem Ersten Weltkrieg zu Italien und nach dem Zweiten Weltkrieg als Ajdovščina zu Slowenien.

Casagrande studierte und promovierte 1924 an der Technischen Hochschule in Wien und war Assistent am Hydraulischen Labor bei Professor Schaffernak. 1924 verstarb der Vater, an dem die Familie wirtschaftlich hing. Arthur Casagrande wanderte 1926 in die Vereinigten Staaten aus, um an größeren Projekten mitarbeiten zu können, was in Österreich zu jener Zeit schwierig war.

Von 1926 bis 1932 war Casagrande Forschungsassistent beim U.S. Bureau of Public Roads und als solcher dem MIT zugeteilt, wo er Karl Terzaghi bei zahlreichen Forschungsprojekten zur Verbesserung von Geräten und Techniken für Bodenuntersuchungen unterstützte.

Arthur Casagrande entwickelte im Rahmen seiner Studien den Fließgrenzenapparat, den Hydrometertest, den horizontalen Kapillaritätstest, den Konsolidierungsapparat und den Direktscherapparat. Er führte Felduntersuchungen zur Frostwirkung durch. Seine Kriterien für die Frostempfindlichkeit von Böden, die aus diesem Projekt hervorgingen, wurden von Autobahnplanern auf der ganzen Welt übernommen.

1932 begann Arthur Casagrande seine langjährige Zusammenarbeit mit der Graduate School of Engineering in Harvard, wo er ein Lehrprogramm entwickelte, das zur Ausbildungsstätte für zahlreiche Bodenmechaniker wurde und Harvard als führendes Zentrum für Lehre und Forschung auf dem Gebiet der Bodenmechanik bekannt machte.

Casagrande entwickelte den Triaxialversuch, der heute allgemein als grundlegende Methode zur Untersuchung der Festigkeits- und Volumenänderungseigenschaften von Erdmaterialien verwendet wird, und beschäftigte sich lebenslang mit dem Phänomen der Verflüssigung gesättigter, kohäsionsloser Böden infolge von Erschütterungen oder Erdbeben.

Außerdem wirkte Arthur Casagrande 1933 und 1934 an der Deutschen Gesellschaft für Bodenmechanik (Degebo) mit. Zu den Gründern der Degebo gehörte Terzaghi. Die Degebo befasste sich mit Gründungsfragen für Großbauten, unter anderem auf dem komplexen Berliner Sandboden, sowie mit dem Autobahnbau, mit dem Schwerpunkt Baugrunderkundung, Baugrundverbesserung, Verdichtung und Dammbau. Die Degebo ging im Fachgebiet Grundbau und Bodenmechanik des Instituts für Bauingenieurwesen der TU Berlin auf.

Zu Casagrandes wichtigsten Beiträgen zur Bodenmechanik gehören die Weiterentwicklung des Fließgrenzengeräts nach Atterberg und die „A-Linie“ im Plastizitätsdiagramm zur Klassifikation bindiger Böden.

Die A-Linie (vermutlich auf „Arthur“ bezogen) ist ein wichtiger Bestandteil des Plastizitätsdiagramms, das in der Geotechnik zur Klassifikation von bindigen Böden verwendet wird. Sie trennt im Diagramm die Bereiche von Tonen und Schluffen und gibt Hinweise auf das plastische Verhalten eines Bodens.

Anorganischen Böden, die im Diagramm unterhalb der A-Linie liegen und eine Plastizitätszahl 7 sind Tone. Böden unterhalb der A-Linie werden als Schluffe klassifiziert. Organische Böden liegen immer unter der A-Linie.

Tone verhalten sich stark kohäsiv, verfügen oberhalb der Plastizitätsgrenze über eine hohe Plastizität und behalten Verformungen folglich auch nach Entlastungen bei. Durch die weitgehende Undurchlässigkeit vollziehen sich Änderungen im Wasserhaushalt sehr langsam und schwierig, sodass Tone als Abdichtungsmaterialien Verwendung finden. Das Schrumpf- und Quellverhalten ist bei Tonen stark ausgeprägt und führt zu Volumenänderungen bei Feuchtigkeitsänderungen. Ebenso sind durch die Wasserbindung hohe Frosthebungen zu erwarten. Schluffe haben eine höhere Durchlässigkeit, sie sind folglich empfindlich gegenüber Konsolidationssetzungen und weisen mechanisch ein sprödes Verformungsverhalten mit starken Setzungen auf.

Während ihrer Forschungen für die American Association of State Highway Officials (heute bekannt als AASHTO) entwickelten Karl Terzaghi und Chester Hogentogler 1929 die erste Bodenklassifizierung für die Regierung der Vereinigten Staaten. Ein akzeptiertes Bodenklassifizierungssystem wurde allerdings erst nach der Ersten „International Conference on Soil Mechanics and Foundation Engineering“ im Jahr 1936 geschaffen.

Die Konferenz kam durch die Organisation von Arthur Casagrande zustande. Karl Terzaghi und die Harvard University waren die Veranstalter.

Während des Zweiten Weltkriegs wirkte Casagrande hingegen im Pionierkorps des Heeres der Vereinigten Staaten (United States Army Corps of Engineers USACE) und bildete die Offiziere hinsichtlich der bodenmechanischen Aspekte beim Flugplatzbau aus. Später war Casagrande als Berater des Corps im Dammbau tätig.

Im Jahr 1948 entwickelte Arthur Casagrande im Auftrag der Federal Aviation Administration (FAA) das Airfield Classification System, das schließlich zum Unified Soil Classification System (USCS) wurde. Das Unified Soil Classification System wurde eingeführt, um die geotechnischen Eigenschaften von Böden systematisch zu bewerten und war insbesondere im Zusammenhang mit militärischen Bauprojekten auf unbekannten Baugründen, etwa im Pazifik, von großer Bedeutung.

Als Geotechniker war Casagrande an internationalen Dammbauprojekten beteiligt, wirkte als Berater für Gründungsfragen für Hochhäuser in Boston sowie bei komplexen Infrastrukturprojekten auf komplizierten Baugründen mit (Flughafenbau, Eisenbahnbau).

Zu seinen Arbeiten gehörten Studien über den Versagen des Fort Peck-Damms, die Stabilität der Ufer des Panamakanals und die Möglichkeiten für einen Kanal auf Meereshöhe sowie Beratung bei den großen Dämmen, die vom Corps gebaut wurden, darunter alle am oberen Missouri River. Darüber hinaus hatte er als Berater bei vielen der höchsten und schwierigsten Dämme der Welt mit seiner Erfahrung und Forschung einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung in diesem Bereich. Er befasste sich mit so ungewöhnlichen Problemen wie den Fundamenten für die Gebäude von Liberty Mutual und John Han Cock in Boston, dem Bau des Logan Airport aus weichem Baggerlehm im Hafen von Boston, dem Aufschütten der Eisenbahnstrecke über den Großen Salzsee und den Fundamenten für das Synchrotron in den Brookhaven National Laboratories.

Zu seinen letzten Beratungsaufträgen gehörten die Untersuchung des Versagens des Teton-Staudamms, die Planung und der Bau des Itaipu-Staudamms in Brasilien und des Tarbela-Staudamms am Indus in Pakistan.

1969 erfolgte die Gründung eines Ingenieurbüros durch Arthur und Leo Casagrande mit Dirk Casagrande, Leo Casagrandes Sohn.

Arthur Casagrande war bis zu seiner Emeritierung 1973 in Harvard tätig und seit 1965 Ehrendoktor an der Technischen Universität Wien.

Karl Terzaghi, Leo Casagrande, Arthur Casagrande

Literatur:

[1] Stanley D. Wilson, H. Bolton Seed, Ralph B. Peck: „Arthur Casagrande 1902 – 1981“, National Academy of Engineering, Washington D.C. 1984

[2] John C. Lommler: „Geotechnical Problem Solving“, Wiley, Hoboken 2012

[3] Muni Budhu: „Soil mechanics and foundations“, Wiley, Hoboken 2011

2 Antworten zu „Arthur Casagrande (1902 – 1981)”.

  1. Avatar von Leo Casagrande (1903 – 1990) – Demanega

    […] Arthur Casagrandes Wirken zur Etablierung der modernen Geotechnik unbestritten ist, steht sein – um ein Jahr […]

    Like

  2. Avatar von Straßenbau in weichen Böden: Technische Herausforderungen – Demanega

    […] aus Fließgrenze und Ausrollgrenze darstellt. In Zusammenhang mit dem Plastizitätsdiagramm hat Arthur Casagrande Herausragendes […]

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..