Befasst man sich mit neorealistischen Theorien in der Außenpolitik, so wird von einer grundsätzlichen machtpolitischen Anarchie ausgegangen, innerhalb derer es auf jeden einzelnen Akteur ankommt, für seine eigene Sicherheit zu sorgen, indem ein militärisches Abschreckungspotential etabliert wird. Nicht, weil wir an die Rohheit der Menschen glauben, sondern weil Menschen (sowie Menschengruppen und Staaten) nun einmal Interessen nachgehen.
Von Franz-Stefan Gady wissen wir zwar, dass Interessen, also ökonomische Gegebenheiten, gegenüber Stolz und Angst nachrangig sind, ökonomische Rechnungen, ob es sich nämlich auszahlt, einen Angriff zu erwägen, spielen allerdings stets eine wichtige Rolle.
Im Rahmen der vorliegenden Überlegungen zum Bereich Sicherheit wird davon ausgegangen, dass Individuen rational und im eigenen Interesse handeln (homo oeconomicus). Dabei handelt es sich selbstverständlich um eine Verkürzung der Wirklichkeit, die aber wesentlich für eine Modellbildung ist.
Die Ordnung der inneren Sicherheit sieht vor, dass der Staat für das elementare Bedürfnis nach Schutz vor Verbrechen aufkommt: „Dieser Schutz ist nicht kostenlos erhältlich, sondern erfordert in beträchtlichem Ausmaß den Einsatz knapper Ressourcen. Potentielle Straftäter müssen abgehalten werden, Verbrechen zu begehen (präventive Aufgabe der Gefahrenabwehr), begangene Straftaten müssen aufgeklärt und sanktioniert werden (repressive Aufgabe der Strafverfolgung)“ [1].
Das angepeilte Sicherheitsniveau erfordert folglich einerseits öffentliche Mittel, andererseits aber auch private Vorkehrungen.
Gerade mit Blick auf die öffentlichen Ressourcen im Bereich Sicherheit geht es um die Fragestellung, wie hoch die öffentlichen Aufwendungen für die innere Sicherheit sein sollen, um zwar einerseits ein annehmbares Sicherheitsniveau herzustellen, andererseits aber übermäßige Aufwendungen zu verhindern, die in Anbetracht knapper Ressourcen stets zu Lasten anderweitiger volkswirtschaftlicher Aufgaben gehen werden.
Die Ordnung und Ökonomie der öffentlichen Sicherheit spielt sich im folgenden Spannungsbereich ab:
- Kriminelle Individuen streben durch kriminelle Aktivitäten einen persönlichen Vorteil an. Kriminelle handeln dabei nicht planlos, sondern wägen durchaus Kosten und Nutzen ab. Infolgedessen erhöhen Sicherheitsvorkehrungen die Kosten für Verbrechen, woraus sich ein abschreckendes Potential für kriminelles Verhalten ergibt. Während der Nutzen des Verbrechens sowie der Wert der Beute auf der Einnahmenseite stehen, stehen die Bestrafungswahrscheinlichkeit und die Strafhöhe auf der Kostenseite.
- Potentielle Opfer sind hingegen bereit, Ressourcen für Sicherheitsmaßnahmen aufzuwenden, um das Risiko der Bedrohung zu minimieren und um potentielle Schäden einzugrenzen. Sicherheitsmaßnahmen erhöhen die Kosten für kriminelle Aktivitäten. Potentielle Opfer sind bestrebt, erstens durch Versicherungen, zweitens durch Sicherheitsmaßnahmen und drittens durch Überwachungsmaßnahmen die Wahrscheinlichkeit für ein Verbrechen zu senken. Aus der Ökonomie der inneren Sicherheit ergibt sich, dass kriminelle Individuen die „einfachste Beute“ anstreben, die den höchsten Nutzen mit geringsten Kosten versprechen.
- Insofern potentielle Opfer konkrete Sicherheitsvorkehrungen treffen, die der eigenen Sicherheit nutzen, entsteht mitunter ein Nutzen für unbeteiligte Dritte. In der Außenpolitik ist von sicherheitspolitischen „Trittbrettfahrern“ die Rede. Andererseits wären die Kosten für die Sicherheit eigentlich durch alle Nutznießer zu tragen. Das Trittbrettfahrerverhalten animiert Individuen dazu, darauf zu spekulieren, auch ohne individuelle Bezahlung, in den Genuss der Vorteile zu kommen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit staatlicher Übernahme von Sicherheitsleistungen sowie die Zwangsfinanzierung über Steuern. Andererseits wird aber auch klar, dass jede einzelne Initiative im Bereich Sicherheit für alle anderen einen Mitnutzen hat.
- Der Staat erfüllt hingegen präventive Aufgaben der Gefahrenabwehr sowie repressive Aufgaben der Sanktionierung krimineller Aktivitäten. Entsprechend neorealistischer Theorien ist in Analogie zu Thomas Hobbes von einem anarchischen Anfangszustand auszugehen, der durch das staatliche Gewaltmonopol überwunden wird. Indem das Gewaltmonopol herrscht, werden Ressourcen, die bisher für Raub und für persönliche Verteidigung aufgewendet wurden, gewinnstiftender eingesetzt.
Der Staat hat in diesem Sinne die Pflicht, Kriminalität dauerhaft zu unterbinden. Zu bedenken ist aber auch, dass Staaten mitunter eigene Interessen verfolgen, dass sich die Verwaltung zu einem Selbstläufer entwickelt und Staaten infolgedessen dazu tendieren, die eigene Machtsphäre auf Kosten der Individuen auszubauen, weshalb verfassungsmäßige Garantien zu setzen sind.
In Zeiten, wie diesen, werden die privaten und öffentlichen Aufwendungen für die eigene Sicherheit zwangsläufig zunehmen (müssen). Der private Bereich wird dabei eine zunehmend wichtige Rolle spielen, wenngleich das staatliche Gewaltmonopol nicht kontrastiert werden darf.
Im Ernstfall zahlt es sich nicht aus, sich ausschließlich auf die öffentliche Sicherheit zu verlassen, sondern es sind präventive Maßnahmen zu setzen, um Bedrohungen abzuwenden. Das steigende Sicherheitsbedürfnis und technologische Innovationen auf der einen Seite sowie die begrenzten Mittel der öffentlichen Verwaltung und der Fachkraftmangel auf der anderen Seite machen private Investitionen in die Sicherheit erforderlich.
Literatur:
[1] Hans-Jürgen Lange, H. Peter Ohly & Jo Reichertz: „Auf der Suche Nach Neuer Sicherheit: Fakten, Theorien und Folgen“, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009


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