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40 Jahre Dammbruch in Stava bei Tesero

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Die Katastrophe in Stava, einer Fraktion bei Tesero im Fleimstal (Val di Fiemme) in der Provinz Trient ereignete sich am 19. Juli 1985. Bei Stava fließt der Stava-Bach in den Fluss Avisio strömt.

Die Katastrophe von Stava ordnet sich in eine Reihe von katastrophalen Dammbrüchen bei Bergbau-Absatzbecken ein, etwa El-Cobre (Chile) 1965, Aznalcóllar (Andalusien) 1998, Baia Mare (Rumänien) 2000, Bento Rodrigues (Brasilien) 2015 [1].

In Tesero wurden 1961 und 1969 zwei Becken für Restschlämme aus der Flotation von Fluorit gebaut. Nördlich von Stava liegt der Berg Prestavèl, an dem bereits im 16. Jahrhundert eine Silbermine eingerichtet wurde. Seit 1934 wird am Prestavèl Fluorit gewonnen. Das Bergwerk bei Stava entstand 1960.

Fluorit oder Flussspat ist ein sehr häufig vorkommendes Mineral und bildet vielfach wüfel- oder oktaederförmige Kristalle. Fluorit wird mit geringerem Reinheitsgrad in der Metallindustrie als Flussmittel zur Verschlackung verwendet und findet mit höherem Reinheitsgrad in der chemischen Industrie Anwendung.

Der Betreiber Montecatini verarbeitete im Bergwerk bei Stava Fluorit (Reinheitsgrad 97-98%) für die chemische Industrie, wozu eine Flotationsanlage, aber auch eine Deponie zur Ablagerung der Restschlämme, notwendig waren. Fluorit ist im Rahmen der Herstellung optischer Linsen wichtig.

Das Rohmaterial wird unter Zusatz von Wasser fein zermahlen. Wesentlich ist folglich die hohe Verfügbarkeit von Wasser. Nach Beimischung von Luft und Emulgatoren wird das hydrophobe Fluorit an der Wasseroberfläche abgesondert. Übrig bleiben die Schlämme.

Anordnung der Dämme [2]

Der untere Damm entstand 1961, der obere Damm 1969. Die beiden Dämme wurden allerdings laufend erhöht. Der untere Damm bestand aus einer Drainage, einem Dammkern aus Stahlbeton, der mit dem Erdreich verzahnt wurde, sowie aus dem aufgeschütteten Sanddamm.

Demgegenüber wurde der obere Damm offensichtlich ohne Drainage und Verankerung gebaut. Beide Dämme wurden aufgeschüttet. Der obere Damm wurde vorerst zentrisch auf dem unteren Damm und mit wachsender Höhe Richtung Berg aufgeschüttet. Eine bergseitige Aufschüttung ist bei Dammerhöhungen zwar grundsätzlich effizient, baut aber einen starken Erddruck auf den Sockeldamm auf.

Der obere Damm war 1985, als sich die Katastrophe ereignete, 34 Meter hoch und enthielt 300.000 Kubikmeter Material. Die Katastrophe ereignete sich, als der Damm des oberen Beckens nachgab und auf das untere Becken stürzte. Die Flutwelle, die rund 200.000 Kubikmeter umfasste, erreichte 90 km/h. In der Folge wurden 268 Menschen getötet, 3 Hotels, 53 Wohnhäuser und 6 Werkhallen zerstört.

Als Ursachen gelten:

  • die sumpfige Beschaffenheit des Baugrundes und die mangelhafte Absetzung des Schlammes (italienisch „limo“)
  • die Neigung des Baugrundes (25 Prozent mittlere Geländeneigung)
  • die mangelhafte Drainage des oberen Dammes
  • die Abstützung des oberen Dammes auf nicht konsolidierten Schlämmen des unteren Beckens
  • die Höhe (34 Meter) und Neigung (80 Prozent) des oberen Dammes
  • die bergseitige Aufschüttung der Dämme
  • die falsche Anordnung der Überlaufrohre am Grund des Beckens und durch die Dammkonstruktion hindurch.

Die geotechnischen Gutachten zeigten, dass der obere Damm in Bezug auf die Bodenbeschaffenheit und die Neigung des Geländes nicht ausreichend geplant und ausgeführt war. Es gab keine ausreichende Sicherheit, um dem Druck des Materials standzuhalten, der durch das Auffüllen des oberen Beckens kontinuierlich zunahm. Es stellt sich auch die Frage, ob die Beschaffenheit und Verdichtung des Dammkonstruktionsmaterials ausreichend waren.

Die Dämme wiesen keine ausreichenden Drainagesysteme auf, die das Grundwasser und die ständige Wasseransammlung im Schlamm effektiv hätten ableiten können. Dadurch baute sich Wasserdruck auf, der die hydraulische Stabilität der Dämme weiter reduzierte. Eine unkontrollierte Durchfeuchtung und ein Überdruck im Boden führten letztlich zum Bruch des Damms.

Laut den Gutachten gab es weiters schwerwiegende Defizite in der Wartung und Überwachung der Becken. Warnungen bezüglich der wachsenden Instabilität und Anzeichen von Erosion wurden über Jahre ignoriert.

Das strafrechtliche Verfahren endete 1992 mit der rechtskräftigen Verurteilung von 10 Angeklagten wegen fahrlässiger Verursachung einer Katastrophe und mehrfacher fahrlässiger Tötung. Angeklagt waren die Erbauer des oberen Beckens, die Betreiber des Bergwerks sowie die Aufsichtsbehörde der Provinz Trient. Hinzu kamen Schadensersatzforderungen.

Literatur:

[1] Ulrich Förstner, Stephan Köster: „Umweltschutztechnik“, Springer Verlag, Berlin 2018

[2] Fondazione Stava (Link)

Abbildung: Fondazione Stava (Link)

Eine Antwort zu „40 Jahre Dammbruch in Stava bei Tesero”.

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