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Gespaltene Weltmacht USA: Ausblick und Folgen

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Außenpolitik

Seit dem Zweiten Weltkrieg etablierten sich die Vereinigten Staaten von Amerika als Weltmacht, die sich – spätestens mit dem Untergang der Sowjetunion – unilateral für die politische Stabilität in der Welt verantwortlich zeichnet. Demokratie, Freiheit und Wohlstand bildeten das „amerikanische Narrativ“ des US-Imperialismus [2].

Der Politikwissenschaftler Carlo Masala hält fest, dass die USA seit geraumer Zeit nicht mehr dazu in der Lage seien, Entwicklungen in den Regionen der Welt zu beeinflussen. Masala sieht darin nicht nur ein Schwinden der außenpolitischen Macht der USA, sondern ein generelles Nachlassen von materieller Macht gegenüber Werten und Ideen [1].

Im globalen Maßstab nehmen jene Mächte zu, die sich als zunehmend eigenständig und von den USA unabhängig verstehen. China und Indien erleben ein immenses Wirtschaftswachstum. Russland sieht sich mit Blick auf den Westen verdrängt, nimmt eine zunehmend revanchistische Haltung ein, kann als Paria-Staat bewertet werden und schmiedet alternative politische und wirtschaftliche Allianzen.

Es herrscht heute global bei allen amerikanischen Bündnispartnern berechtigter Zweifel darüber, ob die USA im Ernstfall überhaupt noch als Weltpolizei handeln will oder kann, sodass – aus europäischer Sicht – längst eigene sicherheitspolitische Vorkehrungen notwendig wären.

Die Weltordnung entwickelt sich zunehmend zu einer multilateralen Angelegenheit ohne weltmaßstäblichen Führungsanspruch. Die militärische Präsenz der USA in verschiedenen Teilen der Welt, einschließlich langfristiger Engagements im Nahen Osten, hat erhebliche Ressourcen beansprucht und zur Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung geführt.

Die Attraktivität der USA nimmt infolgedessen für weniger einflussreiche Staaten rapide ab. Die Tendenz, sich in den militärischen Schatten der USA zu stellen, ist heute weitaus kleiner.

Innenpolitik

Die USA haben auch und vor allem innenpolitisch mit weitreichenden wirtschaftlichen Problemen wie hoher Verschuldung, gesellschaftlicher Ungleichheit und instabilen Finanzmärkten zu kämpfen. Die Finanzkrise von 2008 hat die Verwundbarkeit des amerikanischen Wirtschaftssystems schonungslos aufgezeigt.

Die politische Landschaft der USA ist polarisiert, was die Regierungsfähigkeit entscheidend beeinträchtigt. Das Verbindende kommt in Zeiten, in denen die klaren weltpolitischen Gegner fehlen und in denen der Wohlstand brüchig wird, abhanden. Politische Spaltungen und gesellschaftliche Spannungen beeinträchtigen die Effizienz und Stabilität der politischen Entscheidungsfindung und der Verwaltung.

Längst sind die ideologischen Frontstellungen keine außenpolitischen mehr, sondern verlaufen quer durchs Land.

Während die USA immer noch führend in vielen technologischen Bereichen sind, holen andere Länder, insbesondere China, schnell auf und haben in einigen Bereichen, bereits die Führung übernommen. China stellt zunehmend auch geopolitische Ansprüche.

Die Staatsverschuldung der USA ist mit 120% des Bruttoinlandsprodukts problematisch – Tendenz steigend. Erschwerend kommt hinzu, dass der überwiegende Anteil im US-Haushalt ohne überparteilichen Konsens im Kongress nicht antastbar ist, weil die Mehrheitsverhältnisse in Senat und Repräsentantenhaus knapp sind.

Die Republikaner

Unter George W. Bush waren die US-Republikaner innenpolitisch konservativ und außenpolitisch interventionistisch ausgerichtet. Bush setzte umfangreiche Steuersenkungen durch, insbesondere für Unternehmen und die oberen Einkommensschichten, in der Überzeugung, dass dies das Wirtschaftswachstum fördern würden. Bushs Innenpolitik war von konservativen Werten geprägt, darunter der Schutz traditioneller Familienstrukturen und religiöser Überzeugungen. Eine Umweltpolitik stand wirtschaftlichen Interessen entgegen.

Eines der Hauptmerkmale der Bush-Doktrin war die außenpolitische Bereitschaft, präventive Militärschläge durchzuführen, um potenzielle Bedrohungen für die USA zu neutralisieren, bevor sich diese vollständig entwickeln konnten. Die Bush-Doktrin betonte das Recht der USA, unilaterale (einseitige) Maßnahmen zu ergreifen, ohne die Unterstützung oder Zustimmung internationaler Organisationen wie der UNO oder traditioneller Verbündeter einzuholen.

Ein weiteres wichtiges Element der Doktrin war die Idee, dass die Verbreitung von Demokratie und Freiheit weltweit nicht nur moralisch richtig sei, sondern auch die nationale Sicherheit der USA stärken würde. Die so genannte „Achse des Bösen“ (Iran, Irak, Nordkorea) wurde zu Hauptzielen der amerikanischen Außenpolitik, und ihre Bedrohung wurde als Rechtfertigung für mögliche zukünftige Interventionen verwendet.

Mit der Oppositionshaltung der Republikaner und dem daraus folgenden Aufstieg von Donald Trump wurde die Partei nationalistischer und populistischer. Trump verlagerte den Fokus von internationalen Verpflichtungen hin zu einer “America First”-Politik und setzte auf Themen wie Einwanderungskontrolle, Handelsprotektionismus und die Stärkung der nationalen Sicherheit.

Die Republikaner erhalten mit dieser Entwicklung zunehmend Unterstützung in ländlichen Gebieten und der Arbeiterklasse, die sich angesichts der sozialen Zuspitzung als „Mehrheitsgesellschaft“ zurückgedrängt fühlt.

Außenpolitisch sehen sich die Republikaner weniger in der Rolle des Weltpolizisten, sondern in der Verantwortung, nationale Eigeninteressen zu verfolgen. Während die Demokraten unter Barack Obama die amerikanische Außenpolitik durch Diplomatie und multilaterale Abkommen stützten, sah sich eine breiter werdende Bevölkerungsschicht zunehmend in Wohlstand und Sicherheit bedroht.

Donald Trump etablierte ebenso eine aggressive Handelspolitik, die darauf abzielt, das Handelsdefizit der USA zu reduzieren und amerikanische Arbeitsplätze zu schützen. Er verhängte hohe Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte sowie auf Waren aus China und anderen Ländern, während die Einwanderung eingeschränkt wurde.

und die Demokraten

Mit Kamala Harris steht aufseiten der Demokraten eine Kandidatin zur Verfügung, die dezidiert linke Identitätspolitik betreibt und sich für Bürgerrechte, Frauenrechte, LGBTQ+-Rechte sowie die Bekämpfung faktischer sowie gefühlter Ungerechtigkeiten einsetzt.

Andererseits verlangt Harris deutliche Steuererhöhungen für Unternehmen und Reiche, eine Gesundheitsreform „Medicare for All“ und den bedingungslosen Kampf gegen den Klimawandel.

Die Außenpolitik steht bei Kamala Harris in der Tradition von Joe Biden. Angestrebt werden internationale Allianzen und der Multilateralismus anstatt eines einseitigen Interventionismus. Zentral ist der internationale Einsatz für Menschenrechte und Demokratie.

Die Folgen

Die Zukunft der USA ist angesichts der weitreichenden politischen Spaltung ungewiss. Beobachter hoffen, dass neue politische Bewegungen oder Reformen die tiefe Kluft überwinden könnten, die das Land durchzieht. Andere Analysten sind weniger optimistisch und sehen die Gefahr einer weiteren Radikalisierung und Fragmentierung der Gesellschaft.

Grundsätzlich werden die USA zunehmend mit sich selbst beschäftigt und angesichts der Fragmentierung der USA kaum noch in der Lage sein, aktiv in die Weltpolitik einzugreifen.

Anhänger einer neorealistischen Militär- und Außenpolitik sehen folglich Ansätze einer multilateralen Weltordnung heraufkommen, in welcher sich mehrere globale Machtblöcke herausbilden und gegenüberstehen werden.

In diesem globalen Kontext wird Europa eine zunehmend souveräne Verteidigungspolitik betreiben müssen.

Literatur:

[1] Carlo Masala: „Weltunordnung: Die globalen Krisen und das Versagen des Westens“, Hanser Verlag, München 2022

[2] Herfried Münkler: „Welt in Aufruhr – Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert“, Rowohlt Verlag, Berlin 2023

[3] Arthur Landwehr: „Die zerrissenen Staaten von Amerika: Alte Mythen und neue Werte – ein Land kämpft um seine Identität“, Droemer Knaur Verlag, München 2024

2 Antworten zu „Gespaltene Weltmacht USA: Ausblick und Folgen”.

  1. Avatar von Buchbesprechung: Franz-Stefan Gady: „Die Rückkehr des Krieges“ – Demanega

    […] Verteidigungs- und Sicherheitspolitik wird in einer zunehmend multilateralen Welt wesentlich. Den Weltpolizisten wird es nicht mehr […]

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    […] Gespaltene Weltmacht USA: Ausblick und Folgen […]

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