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Konservative Revolutionen

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Kann in Bezug auf das, was derzeit in Europa vor sich geht, von konservativen Revolutionen die Rede sein? Können sogar Parallelen zu den 20er und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts gezogen werden, die bekanntlich in der Katastrophe endeten? Oder sind das tendenziöse Geschichtsdeutungen? Steht nicht jede Zeit für sich selbst und für sich alleine?

Andererseits stellt sich die Frage, ob geschichtliche Zusammenhänge linear und singulär sind oder nicht doch vielleicht zyklisch, wobei wir ohnehin bei einem der Grundmotive der konservativen Revolution angelangt wären, nämlich der Frage, ob Geschichte eher eine Linie oder eher ein Kreis sei.

Begrifflich ist die konservative Revolution ein Oxymoron (oder Widerspruch in sich selbst). Während das Konservative ein Bewahren bezeichnet, bezeichnet die Revolution einen Aufbruch zum Neuen hin.

Eine konservative Revolution, also eine Revolution zum Vergangenen oder Bewährten? Einfach nur ein Zurück? Denkbar, mit Abstrichen. Vielleicht steht die Konservative Revolution als ein Synonym für eine Konterrevolution, für den Gegenentwurf zu einem linksprogressiven Weltbild, das die Revolution begrifflich für sich beansprucht, vielleicht auch ein Zunutzemachen der Revolution und ihres Momentums für andere Inhalte.

Gemeint sind mit Bezug auf „konservative Revolutionen“ jene Bewegungen von rechts, die keine banale Rückkehr zur Vormoderne meinen, wie von allfälligen Konservativen, Monarchisten, Klerikalen und Nostalgikern beabsichtigt. Es geht stattdessen um eine Moderne mit Wendung, die nicht systemkonservativ oder blind konservierend, sondern wertekonservativ oder ganz einfach rechts, gelagert sind.

Armin Mohler, Schweizer Publizist und Historiker, hat den Begriff der Konservativen Revolution in seinem 1949 erschienenen Werk „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932“ entscheidend geprägt und systematisiert. In diesem Buch unterteilt Mohler die Bewegung der Konservativen Revolution in verschiedene Strömungen, die jeweils unterschiedliche ideologische und politische Ansätze vertreten, darunter

  • die völkische Strömung
  • die Jungkonservativen, die den preußischen Konservativismus im Rahmen mehr oder weniger moderner Staatlichkeit erneuern wollten
  • die Nationalrevolutionären, die eine Synthese zwischen nationaler Erneuerung und sozialen Reformen zu erreichen versuchen
  • die Bündischen, die ein romantisches Weltbild fernab der Moderne anstreben
  • die Landvolkbewegung, die von Bauernprotesten ausgehend und sich zunehmend radikalisiert.

Alleine aufgrund der Heterogenität und der mangelnden Auffassung und Identifikation als Gruppierung, aber auch aufgrund mangelnder verbindender Inhalte, ist der Begriff einer „konservativen Revolution“ unsinnig. Tatsächlich handelt es sich vielmehr um einen rückblickenden Arbeitsbegriff.

Auf einen Teil der Bewegung ist der Begriff der Neoromantik anwendbar, der weite Teile des Geisteslebens durchzieht.

Mohler sieht die Konservative Revolution in diesem Sinne als Sammelbecken von Intellektuellen und Strömungen, die nach dem Ersten Weltkrieg die Weimarer Republik und die westlichen liberalen Demokratien aus durchaus verschiedenartigen Gründen, ablehnten und sich für eine autoritäre, national orientierte Erneuerung aussprachen.

Zum Begriff selbst schreibt Mohler: „Denn zu ihr gehört, wie schon die paradoxe Koppelung der beiden Wörter zeigt, nur, wer die Grundlagen des Jahrhunderts des Fortschritts angreift und doch nicht einfach irgendein Ancien Régime wiederherstellen will“ [1].

Der Begriff der Konservativen Revolution ist eigentlich 1927 durch Hugo von Hofmannsthal in die Welt gesetzt, der den Begriff noch nicht unmittelbar politisch meint. In „Das Schriftum als geistiger Raum der Nation“ meint Hofmannsthal „das Suchen nach Bindung, welches das Suchen nach Freiheit ablöst, und das Suchen nach Ganzheit, Einheit, welches von allen Zweiteilungen und Spaltungen wegstrebt“ [1].

Die Konservative Revolution wurde von einer vielfältigen Gruppe konservativer Denker und Intellektueller geprägt, die sich gegen die liberale Demokratie, gegen den Marxismus und gegen den Modernismus wandten. Die Bewegung war eine Reaktion auf die politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen, die durch den Zusammenbruch des Kaiserreichs und die Weimarer Republik verursacht wurden. Ein weiteres wichtiges Konzept der Bewegung war die Ablehnung des Rationalismus zugunsten eines heroischen und vitalistischen Weltbildes. Ästhetizismus und Neoromantik stellen Parallelen in den Künsten dar.

Ausgangspunkt ist – wie immer – ein Menschenbild, das nicht, wie im progressiven Sozialismus linker Prägung in einem leeren Blatt Papier und in der Milieutheorie besteht, sondern im rechten Sinne herkunftsbasiert ist.

Die Konservative Revolution, die gelegentlich als „Wegbereiter“ für den Nationalsozialismus deklariert wird, war effektiv eine heterogene Mischung, die mitunter auch aus Gruppierungen und Köpfen bestand, die im groben Kontrast und in Opposition zum Nationalsozialismus standen [3], vielleicht auch Alternativen darstellten.

Trotz ihrer Ablehnung der Weimarer Republik und des parlamentarischen Systems konnten sich die Ideen der konservativen Revolution nicht zu einer einheitlichen politischen Kraft formen, wozu die extreme Heterogenität beitrug.

Literatur:

[1] Armin Mohler: „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen“, Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart1950

[2] Rolf Peter Sieferle: „Die konservative Revolution. Fünf biographische Skizzen“, Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1995

[3] Roshan Magub: „Edgar Julius Jung, Right-Wing Enemy of the Nazis: A Political Biography“, Camden House, London 2017

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