Die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum wird politisch zunehmend zentral. Der Blick auf Südtirol verdeutlicht, dass ein ganzes Mosaik an Lösungen notwendig ist. Die Politik kann dabei nicht nur Korrektiv sein, sondern muss aktiv gestaltend wirken.
Benedikt Kaiser deklariert das Wohnen zu Recht als „Die soziale Frage unserer Zeit“ und vermerkt, wie die Regierung Helmut Kohl in ihrem Liberalisierungswahn das gemeinnützige Wohnen den Konzernen ausgeliefert hat. Vor einer solchen Entwicklung blieb Südtirol aus mehreren Gründen, vor allem aus historischen, verschont.
Als Manko umfasst Benedikt Kaiser heute: „Es wird gebaut, wo Gewinne eingefahren werden, nicht dort, wo tatsächlicher Bedarf besteht“. Der regulative Eingriff des Politischen fehle vollends.
Hinzu kommt in einem relativ attraktiven Land wie Südtirol, dass der Drang von außen, durch diejenigen, die das nötige Kleingeld und Kapital haben, heute drastisch steigt.
Wohnbaupolitik ist immer auch eine weltanschauliche Fragestellung und Festlegung. Wenn wir das Rechtssein als Herkunftsbezug verstehen wollen, dann gehen wir mit dem Wohnen, dem Sesshaftwerden, bestenfalls langfristige und generationenübergreifende Beziehungen zum Land ein, die freilich heute, im Rahmen der angepeilten Profite und des wirtschaftlich geforderten grenzenlos mobilen Einzelnen, kontrastiert werden. Die Unternehmen argumentieren, die Jugend wolle ohnehin nicht mehr besitzen, nur noch erleben, was allerdings eher eine Folge der schier aussichtslosen Lage ist, sich mit gegebenem Gehalt einen Wohnraum in Eigentum zu schaffen.
Ein freiheitlicher Weg muss Eigentumsbildung und leistbares Mieten gleichermaßen umfassen, grundsätzlich das ganze Volk mitnehmen und eine Rolle zwischen Markt und Sozialstaat mit dem Primat des Politischen einnehmen. Hilfe zu Selbsthilfe und Eigenverantwortlichkeit sind zentral, der Sozialstaat springt dort ein, wo notwendig.
Südtirol und Italien
Die Thematik Wohnen kann nicht unabhängig vom jeweiligen Land, von der jeweiligen soziokulturellen, politischen und normativen Sachlage diskutiert werden. Die Grundsätze mögen universell sein, die praktischen politischen Lösungen sind spezifisch.
Wesentlich ist der Umstand, dass die Wohneigentumsquote in Deutschland 49 Prozent, in Österreich 54 Prozent und in Italien 74 Prozent beträgt. In Südtirol liegt die Wohneigentumsquote ebenso bei rund 74 Prozent. Dabei handelt es sich aber um kein italienisches Spezifikum. Während die deutsche und ladinische Volksgruppe nämlich über sehr hohe Eigentumsquoten verfügt, liegt der Anteil bei der italienischen Volksgruppe in Südtirol weitaus tiefer. Das hat historische Gründe, liegt daran, dass die Italiener in Südtirol vorwiegend in den Städten leben und natürlich nur einen bedingten Zugang zur Ländlichkeit haben.
Zu einem guten Teil liegen diese hohen Eigentumsanteile aber auch an der Südtiroler Wohnbaupolitik. Die Wohneigentumsquote lag in Südtirol 1951 nämlich bei nur rund 38,5 Prozent. Südtirol kam just zu jenem Zeitpunkt völkerrechtswidrig zu Italien, als sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die größeren Entwicklungen und technologischen Modernisierungen vollzogen, auch in Italien.
Italien selbst führte den so genannten Volkswohnbau („Edilizia popolare“) 1903 mit dem Luzzatti-Gesetz ein. Dadurch sollten Enteignungen im öffentlichen Interesse sowie öffentliche Förderungen für gemeinnützige Bauträger möglich sein. Insgesamt ist die frühe Wohnbau-Debatte rund um jene der Stadtplanung und Urbanistik einzuordnen, die sich im Übergang zum 20. Jahrhundert die Frage stellten, wie die zeitgemäße Stadt auszusehen hätte.
Faktisch sollte der Volkswohnbau, der 1903 ansetzte, in erster Linie eine „liberale Illusion“ bleiben: Der Volkswohnbau war zwar an Einkommensgrenzen gebunden, jene sozialen Schichten, die effektiv unter der Wohnungsnot zu leiden hatten, konnten aber schwerlich Mitglieder der Genossenschaften werden, sodass die Immobilienpreise tendenziell weiter anstiegen [1].
Durch Übergang in das liberale Nachkriegsitalien sollte sich ab 1919 – als Südtirol Teil Italiens wurde – allmählich eine politische Intervention durch den öffentlichen Wohnbau abzeichnen, der vorzugsweise für die öffentlich Bediensteten vorgesehen war.
Der italienische Faschismus betrachtete die Wohnungspolitik für den sozialen Konsens als zentral. Mussolini argumentierte gegen die Urbanisierung und förderte eine Politik, die auf die „Dezentralisierung der Bevölkerung“ abzielte. Die Widersprüche waren allerdings offensichtlich: Einerseits der „Mythos der Ländlichkeit“, andererseits der „Mythos Rom“, der bei Neugründung von Städten und Stadterweiterungen angelegt wurde. 1938 wurde demgemäß das Einheitsgesetz für den Volkswohnbau verabschiedet. 1942 folgte das erste konsistente italienische Urbanistikgesetz.
In Südtirol stand für den italienischen Faschismus die Italianisierungspolitik im Mittelpunkt. Die Ansiedlung von Industrie sowie die Schaffung von Wohnraum in Form von Wohnblöcken, aber auch in Form von Gartensiedlungen, die den italienischen Industriearbeitern vorbehalten waren, kennzeichneten die faschistische Wohnbaupolitik, die stilistisch interessante Züge zeigt. Insbesondere der „Razionalismo“, der im Wesentlichen der Avantgarde angehörte und Stilelemente der Bauhaus-Moderne mit einem archaischen Bezug auf das alte Rom („Ricorso arcaico“) verband, wurde in Südtirol von der angestammten Bevölkerung als „fremd“ abgelehnt und machte es der Bauhaus-Moderne unmöglich, in Südtirol Anklang zu finden.
Bis 1948 verblieb der Volkswohnbau in staatlicher Hand. Mit dem ersten Südtiroler Autonomiestatut erlangte das Land Südtirol zwar eine primäre Kompetenz im Wohnbau, diese Kompetenz sollte allerdings im Sinne des gesamtstaatlichen Interesses stark eingeschränkt bleiben. Mangels Durchführungsbestimmungen zum Volkswohnbau verfolgte der Staat weiterhin eine gezielte Überfremdungspolitik, die der Industriepolitik untergeordnet wurde.
Zur politischen Eskalation in der Südtirol-Politik kam es konkret, als der italienische Arbeitsminister Giuseppe Togni am 1. Oktober 1957 in einem Telegramm an den Bürgermeister von Bozen mitteilte, der Stadt Bozen würden von der Regierung 2,5 Milliarden Lire zur Durchführung eines Wohnungsbauprogramms für 5000 Wohnungen zugewiesen [2]. Diese sollten fast ausschließlich zuwandernden Italienern zur Verfügung stehen. Daraus ergaben sich die ersten politischen Protestaktionen und später die Anschläge im Rahmen der Feuernacht 1961.
Südtiroler Wohnbaupolitik
Landesrat Alfons Benedikter, der später die Südtiroler Raumordnung und Wohnbaupolitik wesentlich gestaltete, verfasste 1959 die Schrift „Der soziale Wohnungsbau in Südtirol – Mittel der künstlichen Unterwanderung“ und erläutert darin, dass das faschistische Italien 2.442 Volkswohnungen in Südtirol gebaut habe, während das demokratische Italien nach 1948 mit 4.100 gebauten Volkswohnungen, die bis 1956 realisiert wurden, die entsprechende Italianisierungspolitik intensivierte und potenzierte. Hinzukommen sollten weitere 5.000 Volkswohnungen ab 1957 [3]. Dass ein „Todesmarsch der Südtiroler“ angesichts dieser Zahlen absehbar war, liegt auf der Hand. Nicht einberechnet wurden die Wohnbauten für Staatsangestellte. Benedikter erkannte die Bereiche Schule, Kultur und Volkswohnbau für das Überleben der Südtiroler als zentral.
Bereits 1962 setzte das „Kleinsparergesetz“ an, das eine erste Eigentumsförderung in Südtirol vorsah. Aus den politischen Spannungen der 1960er-Jahre, die Italien zu Verhandlungen in der Südtirol-Frage zwangen, entwickelte sich das heutige, Zweite Südtiroler Autonomiestatut, auf dessen Grundlage Südtirol weitreichende gesetzgeberische Kompetenzen erlangt hat. Zentrale Kompetenzen, etwa öffentliche Sicherheit und Verteidigung, Steuergesetzgebung oder Finanzangelegenheiten verbleiben freilich beim Staat, der sich allgemein ein „nationales Interesse“ vorbehält, sodass sich bis heute weitreichende politische Spannungen ergeben.
Mit dem Zweiten Autonomiestatut übernimmt Südtirol den Wohnbau endgültig. Seitdem ist der Wohnbau in der ausschließlichen Kompetenz des Landes. Mit dem Wohnbaureformgesetz von 1972 wird der geförderte Wohnbau etabliert. 1974 übernimmt das Land Südtirol die vollständige Kontrolle über das „Volkswohnhäuserinstitut“ (später Institut für den Sozialen Wohnbau des Landes Südtirol) und gestaltet folglich auch den sozialen Wohnbau autonom.
Ebenso übernimmt das Land Südtirol 1972 die primäre Gesetzgebungsbefugnis im Bereich Urbanistik und bestimmt fortan selbst, wie sich das Land nachhaltig entwickelt. Alfons Benedikter prägt als Landesrat die Raumordnung wesentlich mit, etabliert den Grundsatz, dass in der freien Landschaft im Allgemeinen nicht gebaut werden darf. Benedikter verankert den Landschaftsschutz in der Südtiroler Raumordung im Sinne einer organischen Entwicklung: „Unter Schutz der Schönheit und der Merkmale der Landschaften und der Gebiete versteht man die Erhaltung und, wenn möglich, die Wiederherstellung des Bildes der natürlichen, ländlichen und städtlichen Landschaften und Gebiete, die besondere kulturelle oder ästhetische Werte aufweisen oder die ein typisches Naturbild darstellen.
Allein aus diesen Umständen heraus ergibt sich die grundsätzliche Schwierigkeit, dass der mangelnde Wohnraum in Südtirol nicht durch willkürliches Ausweisen von Bauland gedeckt werden kann, weil der Landschaftsschutz prioritär angeordnet ist. Zudem muss neu ausgewiesenes Bauland grundsätzlich und weitreichend der ansässigen Bevölkerung vorenthalten werden.
Mit den Gesetzen zur Raumordnung, die mit dem Raumordnungsgesetzen von 1997 organisch zusammengefasst und 2018 erneuert werden, wird das Prinzip des „konventionierten“ Baulandes eingeführt. Insofern Gemeinden Bauland neu ausweisen sind mindestens 60 Prozent – und in touristisch hoch entwickelten Gemeinden sogar 100 Prozent – jener einheimischen Bevölkerung vorbehalten, die nicht im Besitz einer angemessenen Wohnung ist und die einige Anforderungen an das Einkommen erfüllt. Das entsprechende Bauland ist für 20 Jahre für den Volkswohnbau reserviert.
Die Definition der „Volkswohnung“ entstammt einem italienischen Ministerialdekret von 1969 als Gegenbegriff zur Luxuswohnung. Die Volkswohnung umfasst 1 bis 5 Wohnräume, bildet eine eigene, absperrbare Wohneinheit, ist – je nach Größe der Familie – von 28 bis 110 Quadratmeter groß, die Flächen von zulässigen Nebenflächen (Garagen, Keller, Loggien, Veranden) sind teilweise eingeschränkt.
Zudem wird das entsprechende Bauland begünstigt an die Bevölkerung weitergegeben. Der Grundeigentümer erhält von der Gemeinde die Hälfte des Verkehrswertes des Grundstückes in Form einer Enteignung. Angesichts der Wertsteigerung von Landwirtschaft in Wohnbau ist dieser Verzicht auf die Hälfte des Verkehrswertes für den Grundeigentümer dennoch vorteilhaft. Die Gemeinde verrechnet den neuen Eigentümern wiederum nur die Hälfte des Betrages zur Deckung der Grundspesen, folglich nur ein Viertel des Ursprungswertes. Zudem wird auf 40 Prozent der Erschließungsgebühren verzichtet.
Hinzu kommen noch Wohnbauförderungen als Kapitalbeiträge für den Erwerb freien Baugrundes, für den Bau oder Kauf der Erstwohnung, der so genannten „Wiedergewinnung“ (Sanierung) der Erstwohnung, den Abbau architektonischer Hindernisse oder bei Naturkatastrophen und in sozialen Härtefällen. Diese Kapitalbeiträge für die Erstwohnung machen je nach Familienzusammensetzung einige zehntausend Euro aus.
Akute Probleme und politische Lösungen
Trotz einiger richtiger Rahmenbedingungen sind die Probleme im Wohnbau in Südtirol akut. Der Wohlstandsverlust umfasst heute breite Schichten der Südtiroler Bevölkerung, die mit österreichischen oder deutschen Lebenshaltungskosten, aber mit italienischen Gehältern leben müssen. Von dem Anstieg des Wohlstandes, der in Südtirol seit geraumer Zeit auf jeden Fall zu vernehmen ist, profitieren insbesondere die bereits Vermögenden, während breite Schichten von dieser Wohlstandsanhäufung ausgeschlossen bleiben.
Dass das „leistbare Wohnen“ neben der öffentlichen Sicherheit folglich ein wesentlicher Treiber der letzten Landtagswahl im Herbst 2023 war, liegt auf der Hand.
Hinzu kommen jene Themen, die alle europäischen Gesellschaften betreffen: Die zunehmende Flexibilisierung und Fragmentierung der Gesellschaft, die Fragilität von Familien, zahlreiche Single-Haushalte, der Anspruch nach deutlich mehr Wohnfläche pro Person sowie die Flucht vom Land in die Ballungszentren. Die Masseneinwanderung befeuert die Wohnungsnot, daneben wirken Mechanismen wie die Spekulation mit Wohnraum, die Zweit- und Drittwohnung als Anlageobjekt und der Traum, sich einen Zweitwohnsitz und die Ferienwohnung im „schönen“ Südtirol anzulegen. Der Bau-„Boom“ im Tourismus und beim „Urlaub am Bauernhof“ treibt die Baukosten weiter an, während es sich in Südtirol für den Einzelnen auszahlt, die freistehende Wohnung kurzfristig per „Airbnb“ zu vermieten, anstatt sich auf eine Langzeitvermietung bei weniger Profit und deutlich mehr Problemen einzulassen. Die politischen Rahmenbedingungen sind mangelhaft und führen zu politischem Unmut.
Weil es praktisch kaum Bauland in Südtirol gibt, werden am Markt für Bauland pro verbaubarem Kubikmeter rund 800 bis 900 Euro gezahlt.
Die Südtiroler Maklervereinigung rechnet vor: Durch die Förderungen beim konventionierten Bauland ist in einem Fallbeispiel im Fall des geförderten Baugrundes ein Grundanteil von 453,75 Euro pro Quadratmeter gegenüber realistischen 3000 Euro am freien Markt fällig. Die Baukosten sind ident, werden mit rund 1817 Euro pro Quadratmeter berechnet. Ebenso technische Spesen von rund 150,40 Euro pro Quadratmeter. Weil die Erschließungskosten im Falle des geförderten Baulands gefördert sind, betragen diese im geförderten Fall 38,22 und im Falle des freien Baulandes 95,55 Euro pro Quadratmeter. Daraus ergeben sich 2459,37 im geförderten gegenüber 5062,95 Euro pro Quadratmeter im freien Bauland.
Die Forderung, Bauland im großen Stil auszuweisen, um Wohnraum für Einheimische zu schaffen, ist in der Theorie zwar schnell formuliert, in der Praxis aber kaum zielführend und akzeptabel, wenngleich ein moderates Ausweisen in zahlreichen Gemeinden notwendig sein wird, um durch ein höheres Angebot den Preis zu senken.
Derzeit wird das so genannte „Wohnen mit Preisbindung“ debattiert: Für private Bauträger wird Bauland ausgewiesen, insofern sich diese verpflichten, 60 Prozent der Wohnungen mit Preisdeckel für Einheimische zu schaffen. Die restlichen 40 Prozent sollen den Profit für die Bauträger generieren.
Die Prinzipien der Volkswohnungen, die der einheimischen Bevölkerung vorenthalten sind, sind zukunftsweisend, allerdings sind dazu auch umfassende Kontrollen notwendig, weil die Spekulation vielfach naheliegend ist. Zudem läuft die Bindung irgendwann einmal ab.
Das Land Südtirol hat den geförderten Wohnbau in den vergangenen 20 Jahren mit beinahe 3,4 Milliarden Euro unterstützt, wohingegen andere italienische Regionen den Wohnbau kaum fördern. Trotzdem ist Südtirol innerhalb Italiens weitaus Spitzenreiter bei den Wohnungskosten mit mehr als dreimal so hohen durchschnittlichen Immobilienpreisen gegenüber dem Schlusslicht Kalabrien. Die Wohnbauförderung ist folglich höchstens eine Erleichterung für Einheimische, aber kein allgemeiner Beitrag zu bezahlbarem Wohnraum.
Im Zentrum der politischen Debatte stehen heute folglich notwendige Tendenzen in Richtung Genossenschaftswohnbau. Dazu muss festgehalten sein, dass es in Südtirol zahlreiche Wohnbaugenossenschaften gibt. Diese werden allerdings zu über 90 Prozent in den ersten 10 Jahren auch der Gründung aufgelöst und haben vorwiegend den Zweck des gemeinschaftlichen Bauens und Abrechnens, aber auch des bevorzugten Zuganges zu Bauland.
Österreich wirkt in diesem Sinne derzeit beispielgebend für Südtirol, wenngleich auf beiden Seiten der Bedarf bestehen sollte, gegenseitig etwas abzuschauen. In Österreich besteht neben dem sozialen Wohnbau der so genannte „gemeinnützige“ Wohnbau. Dieser hat seine historischen Wurzeln in der Genossenschaftsbewegung, im Werkwohnungsbau sowie im kommunalen Wohnungsbau.
Heute ist knapp eine Million des Wohnungsbestandes, also ein Viertel, in Österreich gemeinnützig. Davon bestehen drei Viertel aus Mietwohnungen und nur ein Viertel aus Eigentumswohnungen. Gesetzlich besteht bei gemeinnützigen Mietwohnungen eine Kaufoption.
Die „Gemeinnützigkeit“ bezieht sich in Österreich auf die Steuergesetzgebung und bezieht sich auf die Bestimmung, dass das Vermögen von Körperschaften (Genossenschaften oder Kapitalgesellschaften) gemeinnützigen Zwecken gewidmet ist. Aus dieser Bindung resultieren steuerliche Vorteile, nämlich die Befreiung der Körperschaftssteuer. Gesetzlich wird der Status der Gemeinnützigkeit gemäß dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes von der jeweiligen Landesregierung verliehen. Die Bedingungen sind: Vermögensbindung, Gewinnbeschränkung und Kostendeckung (Prinzip der Kostenmiete).
Der gemeinnützige Wohnbau in Österreich hat im Gegensatz zu den Südtiroler Wohnbaugenossenschaften den Charakter einer dauerhaften Wohngenossenschaft, innerhalb derer die Genossenschaftsmitglieder einen Versorgungsanspruch erlangen.
Der Schwerpunkt muss künftig gezielt auf gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften gesetzt werden, die Mietwohnungen schaffen. Derartige Mietgenossenschaften schützen vor den spekulativen Auswüchsen des Marktes und binden – insofern in öffentlicher Hand – das Kapital, währenddessen das Mietgeld, das derzeit in Südtirol ausbezahlt wird, direkt vom Land zu den Vermietern wandert.
Die Kleinstrukturiertheit Südtirols macht ein ganzes Mosaik an Lösungen notwendig: Sozialer Wohnbau, geförderter Wohnbau, Wohnen mit Preisbindung, Wohnmietgenossenschaften.
Wesentlich ist das Primat des Politischen, dass es nämlich an der Politik liegt, die Rahmenbedingungen zu setzen und aktiv zu intervenieren, dass der Sozialstaat hingegen dort effizient einspringt, wo es notwendig wird, und dass insgesamt ein System der Eigenverantwortlichkeit etabliert wird. Dazu sind auch Private stärker in die Pflicht zu nehmen.
Der Artikel ist im Mai 2024 entstanden und in „Freilich Nr. 29“ im August 2024 (Link) veröffentlicht worden.
Literatur:
[1] Elisa Olivito: “Il diritto costituzionale all’abitare. Spinte proprietarie, strumenti della rendita e trasformazioni sociali”, Jovene Editore, Napoli 2017
[2] Rolf Steininger: „Landsleute! Kommt in Massen! Vor über 50 Jahren demonstrierten 35.000 Südtiroler auf Schloss Sigmundskron für die Autonomie ihrer Region und gegen die Versuche der römischen Regierung, Südtirol italienisch zu unterwandern“, Wiener Zeitung, 17. November 2007
[3] Alfons Benedikter: „Der soziale Wohnungsbau in Südtirol – Mittel der künstlichen Unterwanderung“, Athesia Verlag, Bozen 1959


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