Ein Ornament ist keine simple Verzierung. Der Architekturtheoretiker Jörg Gleiter stellt Ornamente in eine höhere Ebene und charakterisiert sie als „Überführung der konstruktiv-technischen Verfahren in kulturell bedeutungsvolle Muster und Zeichen, die von Region zu Region, von Kultur zu Kultur variieren und ostfriesisch, oberbayrisch, slowakisch oder sizilianisch sind“ [1].
Ornamente sind folglich – von einem konstruktiv-technischen Hintergrund ausgehend –, so etwas wie ein kultureller Code: „Ornamente verbinden demnach zwei Erzählungen: Die Erzählung über die Konstruktion mit der Erzählung über die Kultur“ [2].
Das Ornament ist etwas Konstruktives, das in die oberflächliche Gestaltung übergeht.
Beginnend mit der klassischen Antike wird die Ornamentik zum festen Bestandteil der Fassadengestaltung. In der klassischen Antike sind es die Ausprägung von Säulen oder Triumphbögen. In der Romanik hingegen Naturnachahmungen, während man in der Gotik in Richtung Spitzbögen, Maßwerk und Fensterrosen geht.
Mit der Renaissance wird klassische Schönheit wiederentdeckt, weiterentwickelt und auf die Spitze getrieben. Symmetrie und Ordnung werden zum Stilprogramm. Fenster- und Türstürze zieren die Fassade, hinzu kommen Rundbögen oder Dreiecksgiebel. Die Entwicklung setzt in Richtung venezianischer Fenster mit mehreren Bögen oder mittig unterstützenden Säulen fort.
Ebenso macht man sich seit der Renaissance daran, die Außenmauern in Rustika auszugestalten, ihnen damit künstlich ein antikes Aussehen zu geben. Stilistisch verwendete man in der Renaissance das so genannte „Bossenwerk“ oder die „Rustika“ als Inszenierung des behauenen Mauerquaders an der Fassade. Insbesondere das Erdgeschoss sollte damit einen archaischen Ausdruck erhalten. Der Palazzo Pitti von Filippo Brunelleschi in Florenz zeigt als nahezu einziges Gestaltungsmerkmal die Rundbögen sowie das Bossenwerk. Seit der Frührenaissance wurde das Bossenwerk somit zu einem wesentlichen Gestaltungsmittel an der Fassade.
Die Gestaltung geht im Manierismus und Barock mit Säulen, Arkaden und Pilaster ins Theatralische über. Während Fenstergiebel in der Renaissance noch eher rundbogenartig oder dreiecksförmig, aber weitgehend schlicht ausgeführt wurden, wird die Ornamentik im Barock geschwungen, es entstehen Zierrahmen und Muschelformen.
Im bodenständigen oder bäuerlichen Bauen findet eine Übernahme und Abwandlung der architektonischen Hochstile statt, indem diese vereinfacht werden. So finden sich beispielsweise steingerahmte Eingangsportale im Eingangsbereich, die eigentlich für Renaissance oder Barock kennzeichnend waren. Besonders im Übergangsgebiet zwischen nordischer Gotik und südlicher Renaissance ist der gegenseitige Einfluss unverkennbar, wenngleich die Interpretation oftmals frei ist.
Fensteröffnungen in Fassaden werden im Holzbau klassisch durch seitliche Ständer, an der Oberseite durch den Sturz und an der Unterseite durch die Sohlbank konstruiert. Im Mauerwerksbau wird der seitliche Abschluss Laibung oder Gewände genannt. Bei repräsentativen Steinbauten erfolgt die Ausbildung der Fensterlaibungen durch formschlüssig ausgeführte Natursteine.
Von der „Rustika“ ausgehend etabliert sich seit der Renaissance die „Rustizierung“ als beliebtes Stilmittel. Die Rustizierung deutet die Fugen des Steinmauerwerks an.
Bereits ab dem 14. Jahrhundert und später in der Renaissance erfolgte die gestalterische Akzentuierung der Fassaden durch aufgeputzte Faschen. Der Begriff der „Fasche“ vom Italienischen „fascia“ als Bündel, Binde oder Band, bezeichnet die Gliederung der Fassade durch Bänderungen. Diese umfassen Tür- und Fensterrahmungen, Ecken oder Gesimse. Faschen bestehen aus Werksteinen, aus Marmor oder Travertin, einem Süßwasserkalk, aus Putz oder aus Holz.
Steinerne Umrahmungen der Fassadenöffnungen, also von Türen und Fenstern stellen Formen der Gliederung dar und umfassen auch die künstlerisch ausgestalteten Eckbereiche, deren Ausgestaltung die Ausführung von Ecksteinen versinnbildlicht.
Die einfachste Ausführung der Fassadengliederung erfolgt über Farbanstriche. Dann besteht die Gestaltung aus Farbbändern, die die Eckrustizierung, das Gesims oder die Fensterumrahmungen nur andeuten und damit die einfachste Form der Gestaltung darstellen. Vielfach wird über die Bänderung folglich die Geschossunterteilung an der Fassade angedeutet oder die Ecken oder Öffnungen hervorgehoben.
Neben der Imitation von Natursteinmauerwerk findet die Archaisierung der Fassade durch Aufrauhung der Putzoberfläche in Bauwerken Berücksichtigung, die einen Bezug zum archaischen Bauen nimmt.
Gesimse bestehen aus vorgesetzten Ziegelreihen, aus behauenen, profilierten Steinen, aus Putz oder aus Stuck und gliedern die Fassade gestalterisch durch plastische Vorsprünge.
Das Fachwerk kann gewissermaßen als Ornament bezeichnet werden, steht dieses doch zwischen Konstruktions- und Gestaltungselement und hat sich historisch in Gebieten herangebildet, die vorwiegend über Laubholz verfügen.
Für den Alpenraum ist das Bundwerk charakteristisch. Gegenüber dem Blockbau wird die Konstruktion der Wände im Bundwerkbau rationalisiert. Holzbalken werden dabei gitter- und kreuzartig ausgebildet, um ein tragendes und steifes Gerüst zu bilden, welches in der Folge durch Bretter ausgefacht wird. Das Bundwerk ist ein konstruktives und ästhetisches Gestaltungselement, das im Alpenraum charakteristisch ist.
Im bayrischen Raum wurden Form und Technik seit dem Barock durchaus als Einheit verstanden. Das Bundwerk ist ausgehend vom Blockbau und Fachwerkbau eine Weiterentwicklung im Holzbau, die erstmals im 17. Jahrhundert auftaucht [3]. Statt der Verwendung massiver Rundhölzer wird die Konstruktion in Ständerbauweise ausgeführt. Steher und Riegel sind für die Aussteifung des Gebäudes allerdings nicht ausreichend. Notwendig ist zumindest eine biegesteife Ecke durch ein Schrägholz, also Kopf- oder Fußbänder. Dazwischen werden die Flächen vertäfelt.
Mit dem Barock erwuchs der Wille zur Gestaltung und zur Ornamentik neben der Effizienzsteigerung durch geringeren Materialverbrauch.
Günther Knesch sieht im Bundwerk bayrisches Spezifikum: „Das Gefühl für sinnliche Schaubarkeit großer Form, die alten volkstümlichen Neigungen für Bühnenspiele und festliche Aufzüge, der heitere Zug zum Aufwendigen, sie waren in dem Lande, wo soziale Gegensätze seit dem Mittelalter nicht empfunden wurden… immer wach und bildsam; die volksmäßige Ganzheit eines religiösen Lebensgefühls, das sich wenig an das verstandesmäßige Ergründen, in allem an das sinnliche Festhalten gerichtet erwies, wurde dank dem Phantasiereichtum der neuen barocken Form zur starken Quelle künstlerischer Invention. Die alte volkliche Begabung für das Dekorative findet ungehemmte Betätigungsmöglichkeit“ [4].
Dass das Bundwerk äußerlich sichtbar ist, hat aber auch noch funktionelle Gründe. Die Getreidegarben, die in den Städeln eingelagert werden, haben die Tendenz, sich zu setzen und würden in der Folge auf die Konstruktion drücken, wenn nicht die Täfelung schützend wirken würde.
Grundsätzlich kann in Bezug auf das Bundwerk von zwei verschiedenen Typen ausgegangen werden. Stefan Winghart unterscheidet zwischen dem Bundwerk von tirolischem Typus und den Bundwerkwänden der ostbayrischen Vierseithöfe [5] . Dabei handelt es sich um verschiedene Ausprägungen im bayrischen Kulturraum.
Der tirolische Bundwerktyp bezieht sich auf das mittlere und westliche Tirol, auf Südtirol, auf das vorarlbergische Walgau, auf einige Täler Graubündens und auch auf den Salzburger Flachgau und entwickelt sich aus offenen Dachstühlen heraus.
„Der Giebel mit dem offenen Dachraum war in der Regel der Wetterseite abgewandt und durch einen großen Dachüberstand gegen eindringende Niederschläge geschützt. Diese „Giebelbinder“ waren, als man sie später vielerorts zu verschließen begann, bereits gestalterisch so reich ausgeformt, dass man sie nur hinterschalte und ihnen damit ihre dekorative Wirkung erhielt, die schließlich noch weiter gesteigert wurde“ schreibt Werner Paul [6].
Der ostbayrische Typus – im östlichen Bayern und in Oberösterreich verortet – ist im Wohnhauses „völlig unbekannt“, weil die Erntegüter grundsätzlich nicht im oberen Geschoss des Wohnteiles gelagert wurden. In dieser Region, in der die Vierseithöfe beheimatet sind, besteht grundsätzlich ein eigenständiges Wirtschaftsgebäude, in welchem sich Wandkonstruktionen aus Ständerbauweise mit geschlossener Wand und Lüftungsluken entwickelt haben. Daraus ergeben sich in der Folge die typischen Bundwerkkonstruktionen mit Gitterfeldern im Gegensatz zum tirolerischen Bundwerk als Konstruktionselement des offenen Dachraumes.
Ähnlich dem Bundwerk erfolgt die Konstruktion von Öffnungen auch in Ziegelbauweise und als „Ziegelgitter“. Dabei wird der Ziegel ornamental eingesetzt, erzeugt Motive, Muster und Symbole. Kristian Sotriffer schreibt dieser Fassadengestaltung zu, dass sie „ein Indiz für ein allgemeines menschliches Bedürfnis nach Schönheit und Ausgestaltung des eigenen Lebensraums“ [7] sei.
Ornamente prägen den öffentlichen und halböffentlichen Raum, zu welchem die Gebäudefassade gewissermaßen gehört. Zu den Ornamenten, die einen konstruktiven und ästhetischen Hintergrund haben, kommen Zierelemente hinzu, die das Gebaute formell abrunden und der Materie eine menschliche Seite geben.
Elisabeth Mayr schreibt zur dekorativen Seite der Fassade: „Hausfassaden sind ein beliebter Anbringungsort für Zierat aller Art. Sonnen, Sterne, Strahlen, Herzen, Köpfe und viele Symbole mehr finden sich an Türen und Toren sowie über und unter Fenstern. Diese Motive wirken auf uns heute meist als Verzierung, doch kam ihnen ursprünglich oft eine andere Funktion zu“ [8].
Die Sonnenstrahlen, ein klassisches Ornament an ruralen Scheunentoren, steht für die Erlösung und die göttliche Herrlichkeit. Bei der Raute, die vielfach an Fassaden oder Toren angebracht ist, schwanken die Deutungsmuster zwischen reiner Verzierung, Fruchtbarkeitssymbol in Form des weiblichen Geschlechts oder Abwehrsymbolik.
Mayr kommt zum Schluss: „Der Anbringungsort an Toren sowie in der Nähe von Fenstern legte den Schluss nahe, dass die Raute ursprünglich zur Abwehr von Bösem dienen sollte. Tief im menschlichen Denken verankert ist der Wunsch, Haus und Hof vor realen sowie magischen Gefahren zu schützen. Daher finden sich an Hausfassaden zahlreiche Symbole und Figuren, die der Abwehr böser Einflüsse dienen sollen. Die Form und Differenzierung eines Großteils der Rhomben sprechen dafür, dass sie als Abstraktion von Augen zu verstehen sind. Augendarstellungen wurden und werden weltweit zur Abwehr des bösen Blickes verwendet. Bedingt durch den bevorzugten Werkstoff Holz wird die Stilisierung des Auges zur Raute verständlich“.
Und weiter: „Es gibt unzählige Mittel, das Haus gegen Böses zu schützen. Wie überall, ist auch hier die Grenze zwischen Glauben und Aberglauben schwer zu ziehen. Allgemein bekannt ist der Brauch, zu Neujahr die Initialen von Kaspar, Melchior und Balthasar nebst der Jahreszahl mit Kreide an die Tür zu schreiben; ursprünglich waren die Buchstaben C, M und B die Abkürzung eines römischen Spruches – casa mea beatur – zum Schutz des Hauses. Dem römischen Gott Janus, dem Gott allen Anfangs und Eingangs, waren neben dem Jahresanfang (ianuarius – Jänner) auch Türen (ianuae) und Straßendurchgänge (iani) heilig. Häufig sind ebenfalls Heiligenbilder über der Tür, ebenso Kreuze, Hufeisen, Ährenbüschel, aber auch Drudenfüße, Drehwirbel und Drehsonnen“ [9].
Die Art und Weise, wie Türen und Tore dekoriert wurden, entspringt der Bedeutung des Tores als Schwelle zwischen Innen und Außen, zwischen geschütztem Bereich und Außenwelt.
In zahlreichen Orten Nieder- und Oberösterreichs, aber auch Südtirols sind die Holztore an den zur Straße zugewandten Fassaden neben Rauten besonders auch mit Sonnenornamenten ausgeführt und unterstreichen die Art und Weise, wie die Natur in das menschliche Leben integriert wird.
Vielfach verzieren Kränze die Türen und Tore, besonders zu den Ställen, und sollen böse Geister vertreiben. Sie sind dann oft stachelig ausgeführt oder sind aus Heilkräutern geflochten. „Der Kranz erinnert an den Kreis als universelles Symbol, der ohne Anfang und ohne Ende Ewigkeit und Wiederkehr bedeutet. Er schließt ab, soll vor Dämonen und Unholden schützen und böse Geister bannen können“ schreibt Martha Canestrini [10].
Die Ausgestaltung des Eingangsbereiches umfasst darüber hinaus die Bepflanzung. Die Pflanzen, die an der Schwelle zwischen Innen und Außen angeordnet sind, haben einen ganz besonderen Symbolgehalt.
Immergrüne Pflanzen stehen auch in der kalten Jahreszeit für das ewige Leben. Die Eibe gilt als Baum der Totentruhe, steht als immergrüner Baum für das Leben und für den Schutz gegenüber dunklen Mächten. In mediterranen Gegenden mögen auch andere immergrüne Bäume und Sträucher ihre Verwendung finden. In südlichen Gegenden, aber auch in Südtirol, sind das vielfach Lorbeerbäume, die an der Fassade stehen und das ganze Jahr über vom Leben zeugen und darüber hinaus als Heilkraut Verwendung finden. Immergrüne Zypressen verleihen so manchem Südtiroler Bauernhof das ganze Jahr hinweg eine mediterrane Aura, die auch aus der Entfernung wirkt.
Apfelbäume stehen symbolisch für Liebe und Fruchtbarkeit. Birnbäume sollen eine mystische Aura haben und als Liebesorakel gelten [11]. Ähnlich verhält es sich mit Kirschbäumen. In Form der „Barbarazweige“ finden die Kirschzweige ihren Eingang in den winterlichen Wohnraum.
Lärchen in Hausnähe gelten als schützend. Ebenso bewahrend und schützend wirken Fichten. Tannen sind schließlich in der Form des grünen Tannenzweiges sowie des Tannenbaumes Symbole für das Licht in Zeiten der Dunkelheit.
Die Weide wird mit allerlei Aberglauben in Verbindung gebracht. Als Trauerweide stellt sie eine Verbindung mit dem Andenken an die Verstorbenen her.
Die Eiche ist ebenso wie die Linde, die für die Mütterlichkeit steht, ein Dorfbaum im Mittelpunkt der dörflichen Gemeinschaft. Die Eiche gilt darüber hinaus als Symbol für Tugend und Ehrhaftigkeit.
Ähnlich verhält es sich mit den kleineren Pflanzen und mit Kräutern, denen ob ihrer duftenden Wirkung auch eine schützende Funktion zugesprochen wird.
Die Heckenrose gilt nicht nur als Symbol für die Liebe, sondern ebenso für die Reinheit und Treue. Im Frühjahr deuten Frühjahrsboten mit ihren farbigen Blüten auf die ewige Wiederkehr des Lebens hin. Im Sommer sind es dann hingegen häufig die Geranien, die in Südtirol den bäuerlichen Strukturen ein „brennendes“ Rot verleihen.
Die Hauswurz (lateinisch „Sempervivum tectorum“), auch „Zeusbart“ oder „Donarbart“ genannt, wurde im Eingangsbereich zum Schutz gegen böse Geister eingesetzt, gilt als Symbol des ewigen Lebens und findet sich an vielen Südtiroler Hausmauern wieder.
Oftmals sind die Fassaden bäuerlicher Strukturen verwachsen und bilden mit den umgebenden Pflanzen eine Einheit. Nutzpflanzen, die an den Häuserfassaden stehen, leben mit den Jahreszeiten mit und deuten den Wandel der Zeiten an. Der Hausbaum wurde vielfach als Schutzbaum gepflanzt und steht in einer symbolischen Verbindung zum Gebäude.
„Bei der Bepflanzung kann es sich um Aprikosenbäume, „Wilder Wein“ oder Kletterpflanzen wie „Efeu“ oder „Zaunweide“ handeln. Die Pflanzen am Haus ändern dessen Erscheinungsbild von einer Jahreszeit zur anderen. Die Fruchtbäume erhalten durch die Hauswand Schutz vor Wind und Kälte. Die Pflanzen halten Schmutz- und Staubteile fern und bewirken eine Sauerstoffanreicherung (…) Pflanzenpolster an den Fassaden haben aber auch eine hohe Wärmedämmwirkung“ [12].
Mit der begrünten Fassade und den Pflanzen rund um das Haus ist bereits der (verschwimmende) Übergang zum Garten getan. Diesen Übergang vollziehen überdachte Bereiche, die sich irgendwo zwischen außen und innen ansiedeln lassen.
Die Fassade des Gebäudes ist nicht nur der schöne Verputz, sondern schließt die Formgebung förmlich ab.
Ein und dasselbe Haus vermag mit unterschiedlicher Fassadengestaltung völlig anders auf uns wirken. Ob erdig wirkender Kalkputz, farbiger Anstrich, natürlich verwachsene Fassade oder Holzschindeln – der Eindruck und der Ausdruck sind völlig verschieden.
Wände werden im ländlichen Bauen vielfach bewusst unverputzt ausgeführt, um die ländliche Bauweise und den Bezug zum umgebenden Territorium auszudrücken. Einen erdigen Effekt erzielt die Beifügung von Erde im Putzmörtel, wodurch das Haus die Farbe des Landes und des Bodens wiedergibt.
Der Putz, ob aus Kalk, Gips oder Lehm, schützt die Wände nicht nur vor Feuchtigkeit und Umwelteinwirkungen, sondern erhellt die Wände, gibt ihnen eine abschließende Oberflächenbeschaffenheit und erzeugt gegenüber dem Stein einen wohnlichen und wärmenden Charakter. Oftmals – man erkennt es an alten Bauernhöfen aus Stein – wurden nur die Fensterlaibungen weiß verkalkt, um die Sonneneinstrahlung zu verstärken.
Dort, wo die klimatischen Bedingungen rau sind und wo auch der Werkstoff Holz reichhaltig zur Verfügung stand, ging man im Laufe der Geschichte dazu über, die Fassaden mehr und mehr zu vertäfeln. Fassaden aus Holz entfalten schon allein aufgrund des Werkstoffes eine gestalterische Wirkung.
Bei der Holzvertäfelung kommen verschiedene Maßstäbe zur Anwendung. Holzschindeln sind eine kleinteilige Form der Fassadengestaltung. Holzschindeln kommen beispielsweise beim Bregenzerwälderhaus vor, welches ursprünglich aus einer Blockbaukonstruktion besteht. Ab dem 18. Jahrhundert wurde die Fassaden nach und nach durch Schindeln verkleidet, um dem gesteigerten klimatischen Komfort Rechnung zu tragen.
Darüber hinaus besteht die Vertäfelung aus horizontalen oder vertikalen Brettern. Bei der Stülpverschalung erfolgt die Anordnung der Bretter an der Fassade horizontal mit einer Überlappung. Die Schalung wird dabei an die Konstruktion genagelt.
Die Gliederung kann allerdings auch vertikal erfolgen. Vorerst werden die Bodenbretter angenagelt. Eine zusätzliche Lüftungsschicht kann über die Querlattung erfolgen. Eine zweite Lage, die Deckbretter, schützt die Fugen der ersten Lage. Genannt wird diese Art der Schalung auch Boden-Deckel-Schalung oder Deckleistenschalung, insofern nicht ganze Bretter als Deckschicht, sondern Leisten zur Verwendung kommen.
Indem die Kernseite des Holzes, also jene Seite, die im Gegensatz zur Splintseite dem Holzkern im Stamm zugewandt ist, nach außen gerichtet wird, wird nach einer Verformung oder Schüsselung der Bretter auch nach dem Trocknen die Fuge verschlossen gehalten. Damit ergibt sich der Vorteil, dass die Bodenbretter geschützt sind und im Sanierungsfall nur die Deckbretter oder Deckleisten erneuert werden müssen.
Einen schönen Kontrast ergibt der gekalkte Lehmmörtel, der bei Bauernhäusern in Blockbauweise zur Abdichtung der Fugen eingesetzt wurde [13] und in der Folge auch die Fugen von Holzschalen betrifft. Daraus ergibt sich eine kontrastreiche, horizontale Ornamentierung. Vielfach wurden die Fugen mit Moos oder Stroh abgedichtet.
Bei der Holzverfärbung tun Sonne und Verwitterung das ihre. Die UV-Strahlung baut den Holzbestandteil Lignin ab, woraus sich eine intensive Braunfärbung ergibt. Die Witterung wäscht die wasserlöslichen Bestandteile des Lignins aus und hinterlässt eine graue Optik. Durch die Holzbefeuchtung siedeln sich allerdings auch Schimmelpilze an, die zu einer Schwarzfärbung führen [14].
Neben dem Putz erhält die Fassade durch den mehr oder weniger farbigen Anstrich ihre äußerliche Note.
Insbesondere das Holz musste äußerlich behandelt werden. Vielfach ist die Farbe, über die historische Holzkonstruktionen verfügen, dem Holzschutzanstrich geschuldet. Johann Peer schreibt zu diesen Anstrichen: „Generell hat es sich bei historischen Fassadenmalereien um offenporige Anstriche auf Leinölbasis gehandelt, die dem Holz die »Atmung« erlaubt und Fäulnisbildung verhindert haben“ [15]. Bei historischen Holzschutzanstrichen, die rötlich sind, handelt es sich nachweislich um Eisenoxidprodukte und nicht um „Ochsenblut“.
Farbstoffe wurden grundsätzlich in Form organischer oder mineralischer Pigmente hergestellt. Organische Pigmente sind entweder pflanzlich oder tierischen Ursprunges. Die geringe Beständigkeit begrenzte deren Anwendung allerdings weitgehend auf die Innengestaltung. Das Schwedenrot, mit dem Holzbauten in Schweden klassisch eingefärbt sind, entstand seit dem 16. Jahrhundert aus einem Kupferpigment als Holzschutzmittel.
Mit der Renaissance und mit dem Barock fanden Ornamentierung und Farbgebung ihren Einzug in die Fassadengestaltung. Das vollzieht sich beispielsweise durch den Stuck, also die plastische Ausformung von Mörtel auf Fassaden und Wänden. Eine Sonderform ist der Kratzputz (Sgraffito), bei welchem farblich unterschiedliche Putzschichten, die noch feucht sind, ausgekratzt werden, sodass Teile der unteren Putzschicht hervortreten. Die Technik findet sich sowohl in Italien ab der Renaissance und ist auch im Vinschgau sowie in Böhmen und in Niederösterreich ausgeprägt.
Typisch für den Barock in Österreich ist die ockergelbe Gestaltung der Fassaden durch das Pigment Goldocker, das im Wesentlichen aus Eisenoxiden besteht. Kaiser Joseph II. verordnete ab 1780 zur Förderung seiner böhmischen Ockergruben die Verwendung des so genannten „Schönbrunnergelbes“ [16], welches die barocke Baukunst in der Habsburgermonarchie charakterisierte. Diese Gelbfärbung prägte fortan die Erscheinung von Kirchen, Regierungsgebäuden und Schlössern. Eisenoxidpigmente bilden farblich gelben oder roten Ocker hervor.
Im Klassizismus bestand die Tendenz der Fassadengestaltung in Richtung „Monochromie in Weiß-, Grau- und Brauntönen“, die „im Biedermeier vorwiegend auf helles Ockergelb überging“ [17]. Beim dänischen Architekten Theophil Hansen, der der Neoklassik zuzuordnen ist und der in Wien wesentlich wirkte, stellt sich eine bestimmte Farbenvielfalt ein: „Das neue Interesse für die antike Polychromie führte vor allem bei Theophil Hansen und seiner Schule zu roten, blauen, gelben und goldenen Farbakzenten für bestimmte Formelemente“ [18].
Im Gründerzeitbau erzeugte man hingegen den Eindruck, die Gebäude seien aus edlem Stein gebaut – obwohl eigentlich verputzter Ziegel –, sodass Fassadenfarben verwendet wurden, die steinig wirkten [19]. Grundsätzlich war die Farbgebung in der Gründerzeit monoton und schlicht. Die rustikale Auslegung der Fassade führt allerdings auch zur Backsteinfassadengestaltung.
Erst mit der Industrialisierung wurde eine Vielzahl an Farben entwickelt, nämlich Zink- oder Kobaltfarben oder synthetische Anilinfarben [20], womit Fassadenfarben breit zugänglich wurden.
Mit der Bauhaus-Moderne sollte schließlich das schlichte, ornament- und kontrastlose Weiß typisch werden. Selbst das Dach war, wenn als Flachdach konzipiert, weiß. Ebenso die Fenster, die nicht als Fenster ausgeführt wurden, sondern als funktionelle Öffnungen in der Fassade. Mit einher geht mit dieser minimalen Ästhetik auch ein Informations- und Bedeutungsverlust, der die zahlreichen Schlagseiten des Menschseins im Umgang mit dem Bauen unterschlägt.
[1] Gleiter, Jörg H.: „Zur Logik des Ornaments“, Zuschnitt 72 – „Das Ornament – Redekunst in Holz“, proHolz Austria, Wien 2018
[2] Gleiter, Jörg H.: „Zur Logik des Ornaments“, Zuschnitt 72 – „Das Ornament – Redekunst in Holz“, proHolz Austria, Wien 2018
[3] Knesch, Günther: „Das Bundwerk – meisterhafte Bautechnologie des 19. Jahrhunderts“ in „Kultur & Technik“, Deutsches Museum, 9. Jahrgang, Heft 2, München 1985
[4] Knesch, Günther: „Das Bundwerk – meisterhafte Bautechnologie des 19. Jahrhunderts“ in „Kultur & Technik“, Deutsches Museum, 9. Jahrgang, Heft 2, München 1985
[5] Werner, Paul: „Das Bundwerk in Bayern – Die schönste Zimmermannskunst der bäuerlichen Baukultur“, Verlag Anton Plenk, Berchtesgarden 2000
[6] Werner, Paul: „Das Bundwerk in Bayern – Die schönste Zimmermannskunst der bäuerlichen Baukultur“, Verlag Anton Plenk, Berchtesgarden 2000
[7] Sotriffer, Kristian: „Die verlorene Einheit – Haus und Landschaft zwischen Alpen und Adria“, Edition Tusch, Wien 1978
[8] Mayr, Elisabeth: „Das Rautensymbol im Viertel ober dem Wienerwald“, Matreier Gespräche – Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft Wilheminenberg, Wien 1984
[9] Mayr, Elisabeth: „Das Rautensymbol im Viertel ober dem Wienerwald“, Matreier Gespräche – Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft Wilheminenberg, Wien 1984
[10] Canestrini, Martha: „Bauerngärten in Südtirol“, Folio Verlag, Wien 2012
[11] Pro Holz – Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Holzwirtschaft: „Symbolsprache und Mythos der Holzarten“, Netzauftritt, 29.11.2020
[12] Bergmeister, Konrad: „Natürliche Bauweisen – Bauernhöfe in Südtirol“, Spectrum Verlag, Bozen 2008
[13] Pohler, Alfred et. al.: „Alte Bauernhöfe in Österreich mit Südtirol“, Steiger Verlag, Augsburg 1997
[14] ProHolz Austria: „Veränderung von Holz durch Witterungseinfluss“, Netzpräsenz, 28.10.2020
[15] Peer, Johann: „Holzschutz an den Bauernhäusern des Bregenzerwalde“, „Zuschnitt 21“ der Pro Holz Austria, Wien 2006
[16] Hueber, Friedmund: „Farbgestaltung historischer Fassaden in Wien“, Stadtentwicklung Wien, Wien 2008
[17] Koller, Manfred: „Das Decorum von Wien – Vergangenheit ohne Zukunft?“, Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege, Wien 2014
[18] Koller, Manfred: „Das Decorum von Wien – Vergangenheit ohne Zukunft?“, Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege, Wien 2014
[19] Hueber, Friedmund: „Farbgestaltung historischer Fassaden in Wien“, Stadtentwicklung Wien, Wien 2008
[20] Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, „Denkmalpflege in Niederösterreich – Farbe“, Band 55, St. Pölten 2016


Hinterlasse einen Kommentar