Wahrscheinlich ist der Herbst die Zeit, in der wir uns dessen bewusst werden, dass die sommerliche Heiterkeit ein Ende nimmt, wir deutlich weniger Zeit draußen verbringen werden und die Geborgenheit, die das Haus bietet, wesentlich ist, wir es uns folglich drinnen einrichten (müssen).
Überhaupt ist der Herbst die Gelegenheit, um zu uns selbst zu kommen. Die Ereignisse werden deutlich besinnlicher und tiefgründiger. Das ist andererseits auch der Zeitpunkt, sich von Belanglosigkeiten zu verabschieden und auf das zu konzentrieren, was zählt und Bestand hat, nämlich auf das Familienleben, die gemeinsame Zeit, Bildung, Erziehung, Lektüre.
In turbulenten Zeiten fragt man sich immer, was letztlich Bestand hat. Die Medienmeldungen da draußen und das politische Hickhack sind es freilich nicht, vor allem nicht dann, wenn es um Oberflächliches und nicht um die Substanz geht. Wir leben, um zu hinterlassen.
Bestand hat das, was uns überdauert und was in den Boden und in die Landschaft, in das kollektive Gedächtnis und in das immaterielle Erbe übergeht. Ob man vom Glauben her so oder anders geprägt ist oder überhaupt keinem Glauben nachgeht, ist dem Einzelnen überlassen.
Wenn es um die genannten Prozesse der Raumbildung geht, so ist ein realistischer Zugang zur Thematik notwendig. Der Geograph Franz Fliri hat recht, wenn er schreibt: „Es wäre unrecht, über die enge Bindung zwischen Bauer und Boden zu schweigen. Die Einheit von Wohn- und Arbeitsstätte ist eine erste Voraussetzung dafür, dass ein Stück Erde zur Heimat werden kann. Man hat zu gewisser Zeit die Beziehung von Bauer und Boden mit dem Wort „Blut und Boden“ umschrieben. Seither kommt jeder in den Verdacht der besonderen Ideologienähe, der das Wort „Heimat“ gebraucht. Die Bauern wissen es auch heute besser: die Beziehung heißt sehr einfach „Schweiß und Boden“. Was man an Arbeit für das Land, leider oft vergeblich, leistet, geht in unser tiefes Bewusstsein ein“ [1].
Dem vorher vielleicht anonymen Land wird gleich in mehrerlei Hinsicht eine Bedeutung zugesprochen. Daraus entstehen vielfältige Beziehungen.
Wesentlich ist bei jeder Beziehung die Komponente Zeit. Erst wenn sich unsere Zeit an einem bestimmten Ort längerfristig bindet, kann eine Tiefenwirkung entstehen, eine emotionale Verbundenheit und in der Folge auch eine Wertsetzung. Diese tieferreichende Bindung über die Dauer der Zeit ist dann in all ihren Facetten spürbar und wird als das „Echte“ wahrgenommen, das nicht kopiert oder imitiert werden kann.
Der geschlossene Hof ist nach Edoardo Mori und Werner Hintner eine „Institution des germanischen Rechtes“ [2], welche auf der Unteilbarkeit des Hofes gründet und folglich eine enge Bindung zum Territorium bedingt, mitunter auch ein sehr stolzes Bauerntum hervorgebracht hatte. „Hof“, das bezeichnet eine umschlossene Fläche. Es oblag der Marktgemeinschaft, Grund und Boden aufzuteilen. Die Konstellation des Anerbenrechtes verhinderte die Bildung von Großgrundbesitz und stabilisierte die Familie oder Sippe dadurch, dass meistens der Älteste den Hof übernahm, die Jüngeren in das Handwerk oder in die Geistlichkeit gingen oder Pächter wurden, jedoch die Sicherheit hatten, im Notfall am Hof unterkommen zu können.
Der Wert eines Hofes besteht gemäß des Prinzips des geschlossenen Hofes nicht im Kapital, sondern im Ertrag, der die Familie nährt. Durch Fleiß und Schweiß war es dem Bauerntum möglich, durch Urbarmachung von Wald und Heide den Grundbesitz zu erweitern. Wesentlich war zur Etablierung des Höferechtes die Definition der Mindestkultureinheit, die den Bestand der Familie zu sichern hatte.
Völlig anders verhält sich die Sache mit der romanischen Realteilung. Das Erbe wurde gleichmäßig unter den Erben aufgeteilt. Vielfach wurde die Erbteilung auch zum Verhängnis. Das Eigentum wurde immer weiter zerstückelt bis schließlich nichts mehr übrig blieb, um für die Eigenen zu sorgen. Indessen mehrte sich der Großgrundbesitz, weil die Landstriche, die nicht mehr für den eigenen Unterhalt ausreichten, veräußert wurden. Es etablierten sich zahlreiche Pachtverhältnisse. Diese Pachtverhältnisse unterschieden sich in ihrer Typologie von der Pacht in den Deutschtiroler Tälern. Dort vollzog sich die Pacht zu einem festgesetzten Geldzins, während der Pächter ansonsten betriebswirtschaftlich unabhängig war.
Im Gegensatz zum Deutschtiroler Pachtverhältnis wurde die Pacht in den Welschtiroler Tälern nicht vererbt, sondern meistens auf Jahresbasis verliehen, wobei hinzukam, dass der Verpächter mit dem Verkauf der Erträge betraut wurde und dem Pächter dessen Anteil überließ.
Die Grundflächen waren vergleichsweise klein, umfassten 2 Hektar und weniger, die Pächter hatten die Hälfte des Naturalertrages an den Verpächter, meist an einen Adeligen, abzugeben. Aus diesen Besitz- und Eigentumsverhältnissen ergeben sich die verschiedenen Formen des Bauens, des Wohnens und des Lebens innerhalb der Dorfgemeinschaft.
Welches Recht spezifisch praktiziert wurde, erklärt sich über das so genannte „gelebte“ Recht und die Gewohnheit, sodass davon ausgegangen werden kann, dass sich die Unterscheidung nach germanischer oder romanischer Rechtspraxis durchaus kulturell vollzogen hat. „Bei diesen allseitigen Festhalten an einem persönlichen, durch die Abstammung gegebene Rechte ward es insbesondere in Italien üblich, dass bei den Rechtsgeschäften die beteiligten Personen vorerst das Recht, nach dem sie lebten, angaben, die sogenannte „confessio iuris“ ableisteten“ [3].
Wenn wir bauen, lassen wir uns dauerhaft nieder. Bauen ist ein Versprechen an den Raum und immer ein konstruktiver Akt. Die Konstruktion ist in Zeiten des Destruktion das Aufbauende und Sinnstiftende. Wir bauen stets aus gutem Grund und sollten den guten Baugrund zumindest anstreben.
Literatur:
[1] Fliri, Franz: „Entwicklung und Untergang der bergbäuerlichen Kulturlandschaft“ in Alpenvereins Jahrbuch 1979, Österreichischer und Deutscher Alpenverein, München 1979
[2] Mori Edoardo & Hintner, Werner: „Der geschlossene Hof – Geschichtliche Entwicklungen und geltende Bestimmungen“, Fondazione UPAD, Bozen, Mai 2013
[3] Stolz, Otto: „Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden“, Verlagsanstalt Oldenbourg, München und Berlin 1927


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