Während sich das Bauingenieurwesen oberflächlich rein auf „das Bauen“ bezieht, ist die Sachlage vielfach deutlich komplexer gelagert. Einwirkungen verfügen über eine statistische Streuung und variieren zeitlich. Der Zeithorizont ist infolgedessen, gerade mit Blick auf Naturereignisse, wesentlich. Eines sind dabei die gesetzlichen und normativen Vorgaben, die natürlich strikt einzuhalten sind, andernfalls Risiken und Haftungen generieren. Etwas anderes ist die wirtschaftliche Sachlage, die immer deutlicher an Bedeutung gewinnt.
Investitionen in Immobilien und Anlagen stehen unter einem hohen Investitionsrisiko, das immer weniger getragen werden will. Insbesondere in einer globalisierten Welt mit gänzlich neuen Formen der medialen Transparenz können und müssen Risiken viel deutlicher abgeschätzt werden. Daraus ergeben sich nämlich nicht nur haftungsfragen, sondern ebenso Probleme in Bezug auf die öffentliche Reputation.
Immer öfters sind Bauingenieure angehalten, im Sinne einer technischen Due Diligence in Bezug auf Bauwerke die konkreten Risiken abzubilden mit Investitionskosten sowie erwartbaren Folgekosten und Umbaukosten sowie der Abbildung der erwartbaren Konsequenzen nicht erfolgter Sanierungen und Instandhaltungen. Bauprozesse werden ebenso immer deutlicher unter dem Aspekt der Risikominimierung ausgeführt, weil die Akzeptanz für erhöhte Kosten und Bauzeiten und Stillstände kaum besteht. Unternehmen benötigen detaillierte Analysen in Bezug auf Risiken, um nicht nur der Sorgfaltspflicht gerecht zu werden, sondern um auch im Falle eines Ernstfalles gewappnet zu sein. Letztlich sind dann, wenn Versicherungen und Gerichte im Spiel stehen, detaillierte Gutachten notwendig, die vor ernsteren Konsequenzen schützen.
Eine Frage der Risiken
Risiken sind Funktionen aus Tragweite und Wahrscheinlichkeit. Werden die Tragweite sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit reduziert, reduziert sich das Risiko. Das Risikomanagement beschreibt Risiken, die auftreten können und analysiert die potenziellen Schadensereignisse im Detail.
Grundsätzlich betrifft das Risikomanagement die Messung und Steuerung betriebswirtschaftlicher Risiken. Das technische Risikomanagement befasst sich hingegen mit der technischen Schlagseite. Ziel ist der Schutz von Anlagen, Personen und Einkommen von Unternehmen vor Verlusten und Haftpflicht.
In diesem Sinne sind
- die Risikoidentifikation,
- die Risikomessung und Risikoanalyse
- die Risikosteuerung sowie das
- Risiko-Controlling wesentlich.
Globalisierung und Finanzkrisen verstärken die Notwendigkeit von Risikoanalysen.
Risiken können unterteilt werden in: Wirtschaftliche Risiken einerseits oder Unfallrisiken andererseits, wozu Brandrisiken, Explosionsrisiken oder auch Naturgefahren gehören. Letztlich ordnen sich allerdings auch soziale Unfallrisiken wie Brandstiftung und Vandalenakte in die Unfallrisiken ein. Hinzu kommen Sabotage, Industriespionage, Datenverlust, zunehmend aber auch geopolitische Risiken.
Die einzelnen Prozesse sind wie folgt zu unterscheiden:
- Risikoidentifikation: Identifikation aller Risiken, abhängig von Unternehmensform und Organisationsstruktur.
- Risikoanalyse: Bewertung der Auswirkungen der verschiedenen Risiken und Evaluierung des Handlungsbedarfes.
- Risikosteuerung: Im Rahmen verschiedener Maßnahmen kann das Risiko gesteuert werden:
- Risikovermeidung
- Risikoverminderung und -begrenzung
- Risikoübertragung
- Risikoakzeptanz
- Risiko-Controlling: Kontrolle der Risiken und Umsetzung der Maßnahmen.
Risikomanagement in der Industrie
Industrierisiken unterteilen sich in
- Produktionsrisiken: Diese betreffen die Produktionsobjekte, nämlich Betriebsmittel, Transporteinrichtungen, Personal, Informationssysteme und Lagersysteme
- Beschaffungsrisiken: Betreffen Risiken in Bezug auf Zukaufteile
- Marktrisiken: Betreffen Volumenschwankungen, Produktwechsel und anderweitige Marktrisiken
- Netzwerkrisiken
Auswirkungen von Großschäden werden vielfach unterschätzt. Es handelt sich bei Weitem nicht nur um Personen- oder Sachschäden, wobei Personenschäden natürlich am dramatischsten sind.
Faktisch wiegen Betriebsunterbrechungsschäden extrem schwer: Zwei Drittel aller Betriebe überlebt im Durchschnitt ein Großschadensereignis in den darauffolgenden 3 Jahren nicht.
Versicherte Risiken
Versicherungen sprechen vom maximal möglichen Höchstschaden (Maximum Possible Loss – MPL) und meinen damit den größten Schaden in Geldwerten einer versicherten Gefahr bei beeinträchtigten Schutzeinrichtungen und verzögertem Notfalleinsatz, also unter extremen Umständen. Würde man diesen maximalen Betrag versichern, würde es sich um eine Überbewertung handeln. Aus Versicherungssicht ist die Kenntnis dieses Höchstschadens wichtig.
Der wahrscheinliche Höchstschaden EML (Estimated Maximum Loss – EML oder Probable Maxmimum Loss – PML) ist hingegen der maximale Schaden unter Berücksichtigung ungünstiger, aber nicht extremer Umstände. Der Höchstschaden EML ist zur Ermittlung von Versicherungsprämien wesentlich.
Der wahrscheinliche Höchstschaden MFL (Maximum Foreseeable Loss – MFL) ist hingegen der maximale Schaden unter Berücksichtigung normaler Funktionen. Dabei werden nicht mehrere ungünstige Vorfälle kombiniert.
Der vorhersehbare erwartete Schaden (Normal Loss Expectancy – NLE) stellt den größtmöglichen Schaden unter normalen Umständen dar.
Aus den ermittelten EML-, PML- und MFL-Werten ergeben sich die erwarteten Schadenshöhen und in der Folge die Versicherungsprämie. Andersherum können durch Maßnahmen die erwartete Schadenshöhe sowie die Versicherungshöhe minimiert und optimiert werden.
Geht man von maximalen Risiken aus, so können diese durch strategische Planung (strategische Risiken), technische Verbesserungen (operative Risiken), durch Auslagerung an klassische Versicherungen (Risikotransfer) auf ein Restrisiko minimiert werden.
Idealerweise sind Sicherheitsaufwände in der Designphase am höchsten und nehmen dann ab. Tatsächlich sind Sicherheitsaufwände vielfach im Bereich der Herstellung am höchsten, weisen in diesem Sinne auf planerische Unzulänglichkeiten und in der Folge auf ein bestimmtes Maß an Unkontrolliertheit hin.
Quantifizierung von Risiken
Ein Risikomanagement ist ein kontinuierlicher Prozess, der in mehreren Durchlaufschleifen besteht.
Gerade beim Thema Brandschutz orientiert sich der gesetzliche Brandschutz in hohem Maße auf den Personenschutz, während der Sachwertschutz kaum berücksichtigt ist. Hohe Investitionen in Brandschutzeinrichtungen sind für Unternehmen nicht immer nachvollziehbar und werden infolgedessen häufig kaum akzeptiert. Tatsächlich hat ein Brandereignis vielfache Auswirkungen zur Folge, welche Sachschäden, aber auch Betriebsunterbrechungen zur Folge haben. Folglich sind Betriebsunterbrechungsversicherungen heute wesentlich.
Die Abdeckung von Primärschäden stellt die Grundlage dar, um Risiken zu minimieren. Sekundärschäden wie der Verlust von Marktanteilen oder Imageschäden haben vielfach gravierendere Auswirkungen als die Primärschäden selbst. Infolgedessen sind Prävention und Krisenmanagement häufig wichtiger als die Rückversicherung.
Literatur:
[1] Volker Herbert Hagebölling: „Technisches Risikomanagement – Leitfaden für die betriebliche Praxis“, TÜV Media, Köln 2009


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