Das Hochwasserprojekt in Venedig, bekannt als MOSE (Modulo Sperimentale Elettromeccanico), ist ein beeindruckendes technisches Hochwasserschutzsystem, das auf die besonderen Herausforderungen der Lagune von Venedig zugeschnitten ist.
Das MOSE-Projekt soll Venedig vor Überschwemmungen durch Hochwasser schützen. Es besteht aus einer Reihe mobiler Barrieren an den drei Haupteingängen zur Lagune: Lido, Malamocco und Chioggia. Diese Barrieren können bei Bedarf angehoben werden, um den Wasserspiegel in der Lagune zu regulieren und so Überschwemmungen in der Stadt zu verhindern. Der Bau begann 2003 und umfasst auch Maßnahmen zur ökologischen Erhaltung und zur Verbesserung des städtischen Lebensraums. Das Projekt ist eine Reaktion auf die zunehmende Bedrohung durch den steigenden Meeresspiegel und extremere Wetterereignisse.

Die Lagune von Venedig (Laguna di Venezia) ist eine flache Küstenlagune an der Adria, in der sich die Stadt Venedig befindet. Sie erstreckt sich über etwa 550 Quadratkilometer und besteht aus einem komplexen Netz von Wasserwegen, Kanälen, Salzmarschen und Inseln.
Eine Lagune ist ein flaches, küstennahes Gewässer, das durch natürliche Barrieren wie Sandbänke, Dünen oder Korallenriffe vom offenen Meer getrennt ist. Diese Barrieren können die Form von Inseln oder schmalen Landzungen haben. Lagunen können Süßwasser, Brackwasser (eine Mischung aus Süß- und Salzwasser) oder Salzwasser enthalten, abhängig von ihrer Verbindung zum Meer und der Menge an Süßwasserzuflüssen.
Lagunen entstehen häufig in Küstengebieten mit flachem Wasser und sind oft von großer ökologischer Bedeutung. Sie bieten Lebensraum für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten, darunter viele Fischarten, Vögel und Insekten. Darüber hinaus spielen Lagunen eine wichtige Rolle im Küstenschutz, da sie als Pufferzone zwischen Land und Meer fungieren, Erosion verhindern und vor Sturmfluten schützen können.
Die Zungen (auf Italienisch “lingue”) in der Lagune von Venedig beziehen sich auf die langen, schmalen Landstreifen oder Sandbänke, die sich zwischen der Lagune und dem offenen Meer erstrecken. Diese Zungen, wie z.B. Lido di Venezia, Pellestrina und Cavallino-Treporti, trennen die Lagune vom Adriatischen Meer und schützen sie vor den direkten Einwirkungen des Meeres. Sie spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem der Lagune und bieten auch Schutz vor Sturmfluten.
Acqua alta (oder Aqua alta) ist das Phänomen periodischer Hochwasser, das in Venedig auftritt und Teile der Stadt überflutet und sich in Form von Springtiden (oder Springfluten) äußert. Durch die Länge der Adria äußern sich die Wellen, die der Scirocco, der aus dem Süden weht, entstehen lässt, am nördlichen Ende Venedig drastisch. Es tritt hauptsächlich in den Herbst- und Wintermonaten auf, insbesondere zwischen Oktober und Dezember, kann aber auch zu anderen Zeiten im Jahr vorkommen.
Der Mechanismus von Acqua alta basiert auf einer Kombination von natürlichen und klimatischen Faktoren: Gezeiten: Die Flut in der Adria kann durch besonders hohe Gezeiten (Springfluten) stark ansteigen, was den Wasserspiegel in der Lagune von Venedig erhöht. Wind: Der Scirocco, ein warmer, feuchter Wind, der aus dem Südosten weht, drückt Wasser aus der Adria in die Lagune von Venedig. Wenn dieser Wind mit einer hohen Flut zusammentrifft, verstärkt er den Effekt erheblich. Atmosphärischer Druck: Ein niedriger Luftdruck, der typischerweise mit Sturmsystemen einhergeht, kann den Meeresspiegel weiter anheben, da weniger Druck auf die Wasseroberfläche ausgeübt wird. Regenfälle: Intensive Regenfälle können zusätzlich dazu beitragen, dass die Wasserstände in der Lagune steigen.
Hinzu kommen: Subsidienz: Venedig sinkt allmählich ab, was die Stadt noch anfälliger für Hochwasser macht. Und: Meeresspiegelanstieg: Durch den Klimawandel bedingt steigt der Meeresspiegel kontinuierlich an, was die Häufigkeit und Intensität von Acqua alta-Ereignissen erhöht.
Der Ingenieur Alberto Scotti gilt als der „Vater“ von MOSE, der das Projekt mit den Technikern des Ingenieurbüros Technital mit Haupsitz in Verona entworfen hat.
Am 3. Oktober 2020 erfolgte der erste Einsatz von MOSE unter realen Hochwasserrisiken.
Systemarchitektur und Aufbau
Das MOSE-System besteht aus insgesamt 78 mobilen Barrieren, die in den drei Zugängen zur Lagune von Venedig installiert sind: Lido, Malamocco und Chioggia. Diese Zugänge sind entscheidend, da sie den Wasserfluss zwischen der Lagune und der Adria regulieren.
Barrierenkonstruktion: Jede Barriere ist ein großer Hohlkörper aus Stahl, der etwa 20 Meter breit, 20 bis 30 Meter lang und 3 bis 5 Meter dick ist. Diese Barrieren sind mit Scharnieren am Meeresboden befestigt und können durch Luftdruck angehoben oder abgesenkt werden.
Scharniermechanismus: Die Barrieren sind an einem Betonfundament verankert, das auf Pfählen im Meeresuntergrund gründet. Jedes Scharnier kann sowohl den Auftrieb der Barriere als auch das Absenken derselben ermöglichen, wenn das Hochwasser vorbei ist.
Bemessungshochwasser
Die Dimensionierung der MOSE-Anlage orientiert sich an extremen Hochwasserereignissen, die in der Vergangenheit Venedig bedroht haben, und berücksichtigt die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels.
Bemessungshochwasser: Das System ist so ausgelegt, dass es Hochwasser bis zu einem Pegel von 3 Metern über dem mittleren Meeresspiegel abwehren kann. Dies berücksichtigt auch eine Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hochwasserereignissen durch den Klimawandel.
Historische Referenzen: Das Projekt orientierte sich bei der Dimensionierung an dem schlimmsten historischen Hochwasserereignis, dem sogenannten Acqua Granda im Jahr 1966, bei dem der Wasserspiegel auf etwa 1,94 Meter über dem mittleren Meeresspiegel stieg.
Funktionsweise und Betrieb
Normalbetrieb: Im Normalbetrieb bleiben die Barrieren gefüllt mit Wasser und liegen flach am Meeresboden, wodurch sie den Schiffsverkehr und den natürlichen Wasserfluss zwischen der Lagune und der Adria nicht beeinträchtigen.
Aktivierung: Bei einem vorhergesagten Hochwasser werden die Barrieren aktiviert. Sie werden mit Druckluft gefüllt, wodurch das Wasser in den Barrieren verdrängt wird und sie aufschwimmen. Dieser Vorgang dauert etwa 30 Minuten.
Schutzwirkung: Einmal aufgerichtet, blockieren die Barrieren das Eindringen von Meerwasser in die Lagune und schützen Venedig vor Überflutung. Die Barrieren können unterschiedlich hoch angehoben werden, um auf verschiedene Hochwasserstände reagieren zu können.

Technische Herausforderungen und Innovationen
Korrosionsschutz: Die Stahlbarrieren sind ständig Salzwasser ausgesetzt, was ein erhebliches Korrosionsrisiko birgt. Es wurden spezielle Beschichtungen und Korrosionsschutzmaßnahmen entwickelt, um die Lebensdauer der Barrieren zu maximieren.
Wartung und Instandhaltung: Die Wartung des Systems ist komplex und erfordert regelmäßige Inspektionen und Reparaturen, um sicherzustellen, dass die Barrieren im Notfall funktionsfähig sind. Dies beinhaltet auch die Kontrolle und Wartung der Druckluftsysteme sowie der hydraulischen Komponenten.
Umweltaspekte: Das Projekt berücksichtigt die Umweltauswirkungen auf die Lagune, indem es den Wasserfluss so wenig wie möglich beeinträchtigt und nur bei drohenden Hochwasserereignissen eingreift. Darüber hinaus wurden Maßnahmen zur Minimierung der Auswirkungen auf die Meeresfauna und -flora implementiert.
Kostenschätzung und Finanzierung
Gesamtkosten: Die Gesamtkosten des Projekts wurden ursprünglich auf etwa 5 Milliarden Euro geschätzt, sind aber durch Verzögerungen, technische Herausforderungen und Korruptionsskandale auf über 7 Milliarden Euro angestiegen.
Finanzierung: Die Finanzierung erfolgte durch den italienischen Staat sowie durch EU-Fördermittel, da Venedig von hoher kultureller und historischer Bedeutung ist.
Langfristige Perspektive
Während das MOSE-System eine technisch innovative Lösung bietet, bleiben langfristige Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf den Anstieg des Meeresspiegels und die Auswirkungen des Klimawandels. Es wird kontinuierlich überprüft, ob die Dimensionierung ausreicht, um auch zukünftige Extremereignisse zu bewältigen.
Literatur:
[1] Projekt Mose


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