Vor einem Jahr sollten die teils heftigen Debatten rund um den Südtirol-Kommers der Deutschen Burschenschaft laufen, die sich irgendwo zwischen Verhindernwollen und Distanzierenwollen einordneten; das Bekenntnis war selten, die Haltung rar.
Nicht wenige erachten im Distanzieren grundsätzlich eine opportunistische Option. Freilich, dieses Durchducksen mag zuweilen individuell vorteilhaft sein. In Zeiten wie diesen verfügen diejenigen, die brav über jedes Stöckchen springen, das der Mainstream ihnen ausbreitet, vielleicht über mehr Zeit. Sie sind dann aber auf jeden Fall die nächsten, die „dran“ sind. Was sie gewinnen, ist Zeit; sie legitimieren dadurch allerdings einen Mechanismus der gezielten Vernichtung und sind damit auch kaum besser.
Mit Weitsicht und Intelligenz ist es jedenfalls möglich, sich diesen Strategien der Vernichtung zu widersetzen. Das bedingt, dass man in der Lage ist, das größere Ganze zu erkennen und sich nicht auf sinnlose Kleinkriege einlässt, die nur den „anderen“ nutzen.
Um das größere Ganze zu erkennen würde es reichen, ein gutes Buch zur Lage unserer Zeit und der Nation zu lesen, sich mit intelligenten Meinungen zu befassen anstatt egomanisch in Selbstgerechtigkeit und Intrige zu flüchten.
Als Lebensbund ist die Burschenschaft weit davon entfernt, über eine akute politische Relevanz zu verfügen. Darum geht es auch gar nicht. Wer sich mit Politik befasst, erkennt, dass die moderne Demokratie von Mechanismen abhängig ist, die weit außerhalb unseres Handlungsspielraumes liegen.
Den Lauf der Dinge verändert man nicht von heute auf morgen, sondern nur dadurch, dass man langfristig an einer alternativen kulturellen Hegemonie arbeitet, die nicht weltfremd, sondern konkret ist und sich bewährt.
Es geht darum, so zu leben, wie es die Freien tun, an einer eigenen, unabhängigen Existenz ohne Intrige und Verleugnung zu bauen, zu beweisen, dass das Wahre Bestand hat, und in der Folge für die eigenen Interessen und für das Bessere, das sich real beweist, in die gezielte Auseinandersetzung zu treten.
Der Ehrbegriff ist zentral, weil er bedingt, dass die Ehrhaftigkeit des Individuums über allem anderen steht, unteilbar und unangefochten ist – es sei denn, es wird das Gegenteil bewiesen – und dass niedrige Instinkte in diesem Sinne niemals eine Option sind und auch nicht sein können.
Der deutsche Idealismus deklariert die nationale Freiheit als Richtschnur für den Einzelnen, versteht das Deutsche als einen ethischen Anspruch, appelliert an Erziehung und Selbsterziehung und zum Einsatz für ein sittliche Gemeinwesen, das Bestand hat und sich im Ernstfall bewährt.
Während konservative Kollektivismen dem Individuum keine Freiheit und auch keine Verantwortung gewähren können – und wollen -, sondern viel zu sehr damit beschäftigt sind, die materiellen Interessen zu erhalten und – mehr schlecht als recht – zu verwalten (Veränderung macht die Dinge nur unübersichtlich), ist von der Befähigung des Einzelnen auszugehen, die Freiheit für Heimat und Volk und für das Gemeinwesen einzusetzen.
Daraus resultiert politische Verantwortlichkeit, aber auch das Erziehungsbewusstsein der Burschenschaft, das darauf ausgelegt ist, den starken Einzelnen zu kultivieren, der staatstragende Verantwortung als Führungsverantwortung in Politik und Gesellschaft anstrebt und in diesem Sinne zum Wandel treibt.
Die Freiheit des Einzelnen versteht sich als „Freiheit wozu“, als Freiheit für Gemeinschaft und Gemeinwesen, nicht als deren Pervertierung im Sinne eines liberalistischen „Anything goes“, das eine Idealisierung der schlechten Gewohnheiten darstellt.
Geschichte ist nach Ernst Jünger der Verlauf, den der Freie dem Schicksal gibt.
Ernst Jünger untermauert, dass es der Sinn des Lebens sei, die Schöpfung im Vergänglichen zu wiederholen. Das Kind wiederhole im Spiel das Werk des Vaters. Das sei „der Sinn von Saat und Zeugung, von Bau und Ordnung, von Bild und Dichtung“. Darum – und um nicht weniger – geht es.
Wenn Botho Strauß in seinem anschwellenden Bocksgesang meint, „das einzige, was man braucht, ist der Mut zur Sezession, zur Abkehr vom Mainstream“, dann ist das ein erweckender Gedanke sowie ein Aufruf zum Tun und der Anstoß, sich an der eigenen Ordnung aufzubauen, am größeren Ganzen zu wirken und unabhängig, ehrenhaft und frei zu sein und zu bleiben.
Wer groß baut, weckt große Widerstände; der Ingenieur weiß davon ein Lied zu singen. „Tief ist der Hass, der in den niederen Herzen dem Schönen gegenüber brennt,“ bemerkt einmal mehr Ernst Jünger. In diesem Sinne: Viel Feind, viel Ehr; wer es auf das Ganze abgesehen hat, hat niedere Widerstände zu erleiden, die dazu gehören.


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