Über Carl Schmitt könnte man ganze Bücher füllen, was ja auch real passiert. Auf Schmitt beziehen sich Anhänger von links und Anhänger von rechts, die amerikanischen Neokonservativen sowie indirekte bis diffuse Ansätze der israelischen Verfassung [3]. Andererseits wird Schmitts anfängliche theoretische Zuarbeit zum Nationalsozialismus heftig kritisiert, wenngleich der Stand Schmitts innerhalb des nationalsozialistischen Staates nach wenigen Jahren ins Negative umschlug und kein Einfluss Schmitts mehr gegeben war. Carl Schmitt war niemals ein politischer Agitator.
Carl Schmitt kann man vielfältig und „mehrdeutig“ [1] lesen, als Verfassungsrechtler, Staatsrechtler oder politischer Philosoph. Helmut Quaritsch hebt dieses „geistige Doppelleben“ hervor: Vor 1933 sei Carl Schmitt als Rechtstheoretiker, Verfassungs- und Völkerrechtshistoriker zur Koryphäe unter Juristen geworden, erst dessen politische Schriften, die etatistisch und nationalistisch einzustufen seien, hätten ihm eine öffentliche Beachtung verschafft. Nach 1933 war Carl Schmitt ein Rechtfertigungsjurist für den totalen Staat, Carl Schmitts Engagement ist zwischen Verirrung und Opportunismus einzuordnen, doch der Einfluss auf die normativen Fakten war nachgeordnet und so sollte man sich Carl Schmitts aufgrund grundlegender Differenzen in der Weltanschauung bald entledigen.
Mich persönlich hat stets die begriffliche Klarheit bei Carl Schmitt fasziniert, die Art und Weise, die Begrifflichkeiten und Konzepte zu strukturieren.
Carl Schmitt als politischer Denker
Die Positionen Carl Schmitts resultieren aus einem pessimistischen Menschenbild, das sich als Kontrast zu einem grundlegend optimistischen Menschenbild äußert, wie es im Liberalismus angewandt wird. Der Mensch wird grundsätzlich in Anlehnung an Thomas Hobbes als „böse“ dargestellt, woraus sich die Notwendigkeit der souveränen Gewalt eines starken Staates ergebe [2].
Grundlegend ist in der Folge die Freund-Feind-Theorie bei Carl Schmitt, die wohl aus dem Bürgerkriegserlebnis resultiert. Daraus mögen die Verfehlungen in Richtung „totalen“ Staat resultieren. Wichtig ist Carl Schmitts Ablehnung der liberalen als der „diskutierenden“ Klasse. Carl Schmitt war der Meinung, dass eine heterogene Gesellschaft, die sich auf keinen gemeinsamen Grundkonsens beziehen würde, wie die Gesellschaft in Weimar, unfähig sei, die drängenden Herausforderungen der Zeit, wozu die soziale Frage und die außenpolitische Stellung zu zählen seien, zu lösen. Aufgabe des modernen Staates sei es, die Arbeiterschaft in den neuen Staat zu integrieren, was dem „bürgerlichen“ Staat nicht gelinge. Darüber hinaus war Carl Schmitts Gedankengang angesichts der deutschen Lage nach dem Ersten Weltkrieg wesentlich außenpolitisch orientiert.
Carl Schmitt unterscheidet zwischen Parlamentarismus und Demokratie, was auch und vor allem aus den negativen Erfahrungen innerhalb der Weimarer Republik resultieren mag und plädiert für eine Demokratie per Akklamation. Daraus lässt sich die ablehnende Haltung in Bezug auf das Diskutieren um des Diskutierens willen herauslesen. Carl Schmitts Demokratie gründete nicht auf parlamentarischen Diskurs in Sinne der repräsentativen Demokratie, sondern auf den unmittelbaren und direkten Volkswillen und auf die Umsetzung dieses Volkswillens durch die Staatsführung.
Schmitt legte großen Wert auf die souveräne Entscheidung und die Fähigkeit des Souveräns (oft personifiziert in einer starken Führungsfigur) zu schnellen und entschlossenen Handlungen, besonders in Krisenzeiten. Diese Perspektive unterscheidet sich erheblich von der deliberativen und oft langsamen Natur der direkten Demokratie, die auf umfassende Bürgerbeteiligung und Diskussion setzt. Infolgedessen liegt es auf der Hand, dass Carl Schmitts Haltung unmittelbar in autoritäre Staatsformen führen musste. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Carl Schmitt skizziert den „Gesetzgebungsstaat“ heraus als „eine bestimmte Art politischen Gemeinwesens“, „dessen Besonderheit darin besteht, dass es den höchsten und entscheidenden Ausdruck des Gemeinwillens in Normierungen sieht, die Recht sein wollen, daher bestimmte Qualitäten beanspruchen müssen, und denen deshalb alle anderen öffentlichen Funktionen, Angelegenheiten und Sachgebiete untergeordnet werden können“ [6]. Den parlamentarischen Gesetzgebungsstaat sieht Schmitt kritisch, weil die Rechtfertigung von Legalität nicht nur im parlamentarischen Pluralismus bestehen könne.
Schmitt als Verfassungsrechtler
Die Ablehnung des ersten Teiles der Weimarer Verfassung resultiert aus der Ablehnung des Parteiensystems in Weimar, kann allerdings nicht als Ablehnung von gesellschaftlichem und politischem Pluralismus aufgefasst werden [1], sondern als Kritik am Parteiensystem, das einen einigenden Charakter des Staates sowie einen ordnenden außenpolitischen Kurs verhinderte.
Homogenität ist in der modernen Demokratie nach Schmitt nicht völlig zu verwirklichen, sondern es liege stets ein Pluralismus partikularer Interessen vor, weshalb die Ordnung stets gefährdet sei und Anarchie und Bürgerkrieg ernsthafte Szenarien seien. Mit Homogenität ist dabei ein „politisch geeintes Volk“ gemeint. Aus dieser mangelhaften politischen Homogenität und einem faktischen Pluralismus resultiere die Nichtanwendbarkeit des Naturrechts, das unmittelbar in Bürgerkriegsszenarien führen müsse.
Infolgedessen wird Carl Schmitts Position auch als „autoritärer Liberalismus“ [2] bezeichnet im Sinne eines Wirtschafts- und Nationalliberalismus, nicht aber eines Weltanschauungsliberalismus. Günter Maschke bezeichnet Carl Schmitt hingegen höchstens als „Liberalen an der äußeren Grenze“. Günter Maschke hebt hervor, dass die nationalsozialistischen Kritiker Schmitt als Vertreter des „liberale Machtstaates“ deuteten.
Grundrechte sind für Schmitt Rechte des Individuums, die es dem Staate gegenüber habe. „Damit der Einzelne dem Staat gegenübertreten kann, müssen die Grundrechte als etwas vor- und überstaatliches gedacht werden. Rechte, welche dem Belieben eines absoluten Fürsten oder einer einfachen oder qualifizierten Parlamentsmehrheit ausgeliefert sind, können ehrlicherweise nicht als Grundrechte bezeichnet werden. Grundrechte im eigentlichen Sinne sind also nur die liberalen Menschenrechte der Einzelpersonen. Hier zeigt sich für Schmitt ein fundamentales Prinzip des liberalen Rechtsstaats, wonach die unbegrenzte Freiheit des Individuums der begrenzten Eingriffsmöglichkeit durch den Staat gegenübergestellt wird. Die Grundrechte können dabei dennoch vom Staat in einer Urkunde festgehalten werden. An ihrem vorstaatlichen und naturrechtlichen Charakter kann das aber nichts ändern“ [3].
Schmitt war grundsätzlich kein Naturrechtler, argumentiert aber doch diffus naturrechtlich. Schmitt wollte das Recht nicht „in die Bürgerkriegsparolen des Naturrechts“ werfen, also in die Sphären von Religion oder Philosophie, aber auch kein bloß faktisches Setzungsrecht im Sinne des positivistischen Rationalismus verwirklichen. Stattdessen werde das Recht vorpolitisch im Sinne des „Nomos“ etabliert. Es liege schließlich am souveränen Verfassungsgeber, den nicht dispositiven Kern der Verfassung hervorzuheben. In Schmitts Denken muss es einen Staat geben, der das Recht setzt. Dadurch verwirft Schmitt das universalistische und liberalistische Prinzip des Naturrechts, wonach es einen vorstaatlichen normativen Kontext gebe.
In diesem Sinne hält Schmitt fest: „In Wahrheit gilt eine Verfassung, weil sie von einer verfassunggebenden Gewalt (d. h. Macht oder Autorität) ausgeht und durch deren Willen gesetzt ist. Das Wort „Wille“ bezeichnet im Gegensatz zu bloßen Normen eine seinsmäßige Größe als den Ursprung eines Sollens. Der Wille ist existentiell vorhanden, seine Macht oder Autorität liegt in seinem Sein. Eine Norm kann gelten, weil sie richtig ist; dann führt die systematische Konsequenz zum Naturrecht und
nicht zur positiven Verfassung; oder eine Norm gilt, weil sie positiv angeordnet ist, d. h. kraft eines existierenden Willens“ [5]. Grundlage sei eine politische Ordnung, also ein „Sein“, und ein politischer Wille, also ein „Wollen“.
Carl Schmitt gilt als Urheber des demokratischen Misstrauensvotums, weshalb er sich innerhalb der Weimarer Republik juristische einflussreiche Feinde gemacht hatte. Zudem gilt Carl Schmitt als Urheber des Verfassungskernbestandes, der jeder Verfassungsänderung widerstehen müsse. Revisionen könnten explizit nicht darauf ausgelegt sein, das Verfassungssystem abzuschaffen, Verfassungsänderungen dürften nicht auf Verfassungsbeseitigungen hinauslaufen. Diese Gebundenheit der verfassungsändernden Gewalt findet in Artikel 79 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland Einzug. Damit der Einzelne dem Staat gegenübertreten kann, müssen die Grundrechte als etwas Vor- und Überstaatliches, allerdings staatsrechtlich gesetztes, gedacht werden. Letztlich gilt Carl Schmitt als gedanklicher Konstrukteur des Bundesverfassungsgerichtes [2].
Grundlegend ist Carl Schmitts Charakterisierung als Etatist, er stand auf der Seite des „konkreten“ Staates. Der „Dezisionismus“ ist die rechtsphilosophische Anschauung, die bei Schmitt hervorgehoben wird, nach der als Recht anzusehen ist, was die Gesetzgebung zum Recht erklärt, und nicht, was die Rationalität als Recht hervorhebt. Selbstverständlich ergibt sich dadurch „eine Theorie zur Legitimation autoritärer Auswege“ [2]. Allerdings spielte das Organische und Völkische – zum Missfallen der Nationalsozialisten – keine Rolle im Weltbild Carl Schmitts, woraus sich sehr früh bereits eine Divergenz und Ablehnung Carl Schmitts durch den Nationalsozialismus ergab, nachdem dieser in Teilen seine „Schuldigkeit“ getan hatte.
Carl Schmitt war in erster Linie bekannt als Rechtspositivist, insbesondere in seiner frühen und mittleren Schaffensperiode. Schmitt betonte die Bedeutung des positiven Rechts – also des von einer souveränen Autorität gesetzten Rechts – und sah das Recht vor allem als Ausdruck politischer Macht und Entscheidung. Schmitts Denken war stark geprägt von der Überzeugung, dass die politische Souveränität die Grundlage des Rechts sei. Entgegen des staatsrechtlichen Positivismus bei Hans Kelsen etablierte Carl Schmitt den Dezisionismus.
„Die politische Einheit eines Volkes hat in der Verfassung
ihre konkrete Existenzform“ bleibt Carl Schmitts Überzeugung [5].
Literatur:
[1] Helmut Quaritsch: „Positionen und Begriffe Carl Schmitts“, Duncker & Humblot, Berlin 2018
[2] Klaus Hansen/Hans Lietzmann (Hrsg.): „Carl Schmitt und die Liberalismuskritik“, Leske und Budrich, Leverkusen 1988
[3] Nikolaus Göllner: „Der Einfluss der deutschen Staatsrechtslehre auf den israelischen Verfassungsentwurf von 1948“, Duncker & Humblot GmbH, Berlin 2018
[4] Josef Isensee und Paul Kirchhof: „Handbuch des Staatsrechts“, C.F. Müller Verlag, Karlsruhe 2009
[5] Carl Schmitt: „Verfassungslehre“, Duncker & Humblot, Berlin 1928
[6] Carl Schmitt: „Legalität und Legitimität“, Duncker & Humblot, Berlin 1932


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