Die einen mögen eher der politischen Persönlichkeit Silvius Magnago angetan sein. Für mich war Hans Dietl politisch prägender. Das mag damit zusammenhängen, dass man dann, wenn man nicht zum Mainstream, zur großen Masse gehören will, die alles unhinterfragt und unkritisch durchwinkt, anderswo nach Vorbildern suchen muss, sie bedingt in Südtirol finder. Es sind dann die Außenseiter, die Prinzipientreuen, die Felsen in unbeständiger Brandung, die interessant werden. Die Bezugnahme auf politische Vorbilder ist gleichzeitig auch die Absage an die Nichtpolitik und Antipolitik, an reinen Protest und an Guerilla- und Partisanentheorien, die ins Leere laufen müssen.
Hans Dietl kam am 27. August 1915 in Göflan bei Schlanders in kleinbäuerlichen Verhältnissen zur Welt. Das Studium der Rechtswissenschaften in Padua, Mailand und Innsbruck war prägend. In Innsbruck stand Hans Dietl in engem Kontakt zu deutschfreiheitlichen Studenten rund um Otto Scrinzi, dessen familiäre Wurzeln im Bozner Unterland liegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Dietl Regionalrat der Südtiroler Volkspartei SVP und zeichnete sich durch eine harte Gangart aus. Zwischenzeitlich war Dietl Obmann des Bauernbundes und gehörte folglich zur Spitze der SVP, wenngleich er zeitlebens ein Rebell war und enge Beziehungen zu den Südtirol-Aktivisten hielt.
Charakterlich ist Hans Dietl einer, der vielfach das Gefühl hat, nicht verstanden zu werden, der das lasche Vorgehen seiner Weggefährten nicht nachvollziehen kann und mehr Konsequenz verlangt. Daraus resultiert aber auch der Rückzug in die eigene Rolle, eine Art innere Emigration, eine Verhärtung und eine Hartnäckigkeit sowie ein Mut zur Auseinandersetzung ohne Angst vor politischer Isolation.
Als Abgeordneter zum römischen Parlament setzte sich Dietl ab 1963 für die Südtirol-Aktivisten ein, wurde dabei wegen Unterstützung angeklagt und freigesprochen. Hans Dietl beklagt, dass die soziale Frage in seiner Partei übersehen werde, betätigt sich als harter Kämpfer für Minderheitenrechte und Bürgerrechte. Darüber hinaus engagierte sich Hans Dietl als Medienherausgeber, wollte einen medialen Pluralismus in Südtirol fördern und versuchte in diesem Sinne auch die italienische Volksgruppe in Südtirol erreichen.
Im Gegensatz zu seinen Parteikameraden lehnte Hans Dietl das zweite Autonomiestatut ab, hielt die Autonomie als ein Teilziel und befürwortete die Selbsbestimmung. Gerade aus dieser internen Oppositionshaötung heraus, als Gegenpart Silvius Magnagos, der diesen zu ständig neuen und weitreichenderen Verhandlungen zwang, entwickelte sich erst das Zweite Autoniestatut. Für Hans Dietl freilich zu wenig weitreichend.
Hans Dietl war es folglich, der auch auf offiziöser Seite dem Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler eine politische Legitimation gab. Für sein Nein zum Autonomiestatut in der Abgeordnetenkammer wurde Dietl aus der SVP ausgeschlossen. Vergeblich trat Hans Dietl 1973 für den Wahlverband der Unabhängigen (WDU) an Senatswahlen an. Daraus ging später die Partei der Unabhängigen (PDU) und die erste Freiheitliche Partei Südtirols (FPS) hervor.
Innerhalb der oppositionellen PDU findet sich schwer eine politische Einheit, andererseits locken Angebote vonseiten der Sozialdemokratischen Partei Österreichs SPÖ. Andererseits bildete sich 1919 der Deutsche Verband in Südtirol als Sammelbewegung, gebildet aus Tiroler Volkspartei und Deutschfreiheitlicher Partei, während die Sozialdemokratische Partei Südtirols im Sinne des „Weltbürgerkriegs“ lieber mit den italienischen Sozialisten zusammen arbeitete. Der Deutsche Verband bildet allerdings den Bestand aller drei Bewegungen sowie die Grundlage für die spätere SVP mit dem Prinzip „Sammelpartei“.
Daraufhin fand Hans Dietl in der sozialdemokratischen Richtung eine neue politische Heimat, vereinte einen volkstumspolitischen Patriotismus mit sozialer Solidarität und war damit der Prototyp des sozialen Heimatpolitikers in Südtirol. Im Gegensatz zu einer zunehmend neomarxistisch und emanzipativ ausgerichteten Sozialdemokratie war die Sozialdemokratische Partei Südtirols ausgesprochen patriotisch ausgerichtet und vertrat die unterprivilegierte Landbevölkerung. Dietl verstand sich in der politischen Rolle als Anwalt des kleinen Mannes und der kleinen Frau.
Diese Rolle sollten nicht alle anerkennen. Roland Riz, der spätere SVP-Obmann, nannte Hans Dietl einen „früheren rechtsradikalen Nationalisten“, der ein spätes Herz für die Sozialdemokratie fand [1]. Faktisch interpretierte Hans Dietl die Sozialdemokratie sehr konservativ. Erst mit Dietls Ausscheiden sollte sich ein sozialistischer Kurs einstellen, womit aber auch der solidarische Patriotismus hinfällig war. Hans Dietl schied 1975 aus der Politik aus und verstarb 1977 in Schlanders.
Literatur:
[1] Hans Karl Peterlini: „Hans Dietl – Biografie eines Südtiroler Vordenkers und Rebellen“, Edition Raetia, Bozen 2007
[2] Otto Scrinzi: „Politiker und Arzt in bewegten Zeiten“, Stocker Verlag, Graz 2003
[3] Oktavia Brugger: „Peter Brugger: eine politische und persönliche Biographie“, Edition Raetia, Bozen 1996


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