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Netzstabilität und Versorgungssicherheit

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Die Verzehnfachung der Energiepreise in den letzten Monaten und Jahren, die durch geopolitische Krisen bedingt war, befeuerte die Energiepolitik in dem Anliegen, bezahlbare und saubere Energie zu liefern. Hinzu kommen immer wieder einmal drohende Blackouts, in einem Energiemarkt, in dem erneuerbare Energie dominiert, in dem Krisenfall, in dem keine Sonne scheint und kein Wind weht (Dunkelflaute). Die notwendigen Kapazitäten sind durch gezielte Infrastrukturpolitik ohne ideologische Realitätsflucht zu planen.

Eine Gebotszone oder Strompreiszone ist ein Strommarktgebiet, in dem ein einheitlicher Strompreis gilt und sich Anbieter, also Stromproduzenten, und Nachfrager auf einer Strombörse treffen und folglich einen Preis bilden. In den meisten Ländern sind die Gebotszonen an die staatlichen Grenzen gebunden, eine Ausnahme bildet Italien. Allerdings wird für die Verteilung vom Anbieter zum Verbraucher ein Netz benötigt.

In einem zentralistischen Strommarkt sind zentrale Kraftwerke verfügbar, die idealerweise in der Nähe der Verbrauchszentren stehen, während die heutige, dezentrale Stromversorgung mit geographisch bedingten Standorten für erneuerbare Energieträger, auf weitläufige leistungsstarke Netze angewiesen ist.

Der Übergang der Stromleitungen in die Verwaltungskompetenz des Landes Südtirol ist in der 1977 erlassenen Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut vorgesehen. Die Übernahme erfolgte allerdings erst 2011 von der „ENEL Distribuzione“.

Der produzierte Strom wird über verschiedene Spannungsebenen transportiert, die sich nach Leistung und Entfernung richten. Überregionale Transportnetze sind für 220 oder 400 kV ausgelegt (Hochspannungsleitungen), regionale Transportnetze für 110 kV. In den Umspannwerken wird die Spannung in niedrigere Spannungen umgewandelt. Indem die Spannungen höher angeordnet sind, werden die Transportverluste bei hohen Entfernungen minimiert. Während große Anlagen in das Hochspannungsnetzen einspeisen, können kleinere Kraftwerke direkt in das Niederspannungsnetz einspeisen, wodurch sich der dezentrale Charakter der erneuerbaren Energieversorgung ergibt.

In den Gebotszonen selbst ist der Energiehandel relativ unproblematisch. Die Kapazitäten sind zwar an und für sich unbegrenzt, es muss allerdings auch die notwendige, gehandelte Energie produziert und bereitgestellt werden können. Der wichtigste Strommarkt ist der Day-Ahead-Handel, der den Folgetag betrifft. Folglich laufen am Tag vorher die Netzplanungen. Dieser Day-Ahead-Markt ist auf europäischer Ebene der größte und ausdifferenzierteste. Am Markt treffen sich Angebot und Nachfrage, wobei das Angebot nach dem Preis sortiert wird und sich letztlich der Preis nach jenem Preis richtet, der für das teuerste Kraftwerk aufgebracht werden muss. Als „inframarginaler Rente“ wird folglich die Differenz zwischen realen Kraftwerkskosten und Marktpreis bezeichnet.

Die Schwierigkeiten mit dem bereitgestellten Strom betreffen im besonderen Märkte wie etwa Deutschland mit einem starken Angebot an erneuerbarer Energie durch Windkraftanlagen im Norden sowie einem hohen Bedarf im Süden. Wird die Kapazität überschritten, die im Süden Deutschlands benötigt wird und über ein relativ schwaches Netz zwischen diesen beiden Zonen verlaufen müsste, entstehen kapazitäre Probleme, sodass Kraftwerke vor Ort wie Gaskraftwerke und Kohlekraftwerke angeworfen werden müssen.

Ringflüsse oder „Loop flows“ entstehen dann, wenn Strom angefordert wird, aber nicht die direkte Route nehmen kann, weil die Kapazitäten begrenzt sind und folglich anderweitige Trassen belastet werden.

Grenzüberschreitender Stromhandel ist an physische Kapazitäten begrenzt und hängt von den Kuppelstellen ab. Investitionen in die Netzinfrastruktur sind naturgemäß langfristige Schätzungen und hängen von zahleichen Faktoren ab. Grundsätzlich verfügen die Stromnetze über eine Primärreserve und eine Sekundärreserve bei Erreichen kritischer Frequenzen. Die Netzstabilität bezieht sich auf die notwendige Netzfrequenz, die durch Unterversorgung oder Überlastung beeinträchtigt ist und Instabilität bewirkt (so genanntes Blackout als Stromausfall).

Grundsätzlich beträgt die Netzfrequenz im europäischen Netz 50 Hz, mögliche Abweichungen sind relativ gering. Ab 0,2 Hz erfolgt eine Alarmierung. Das entspricht im europäischen Verbundnetz immerhin 3 GW. Insofern Kraftwerke ausfallen oder das Netz durch Naturgefahren oder Anschläge bedroht ist, drohen Ausfälle. Anschließend folgen zur Stabilisierung schrittweise Netzabschaltungen, um das sonstige Netz zu stabilisieren. Unter 47,5 Hz erfolgt die Abtrennung der Kraftwerke. Die Unterfrequenz bedeutet nämlich eine Überbelastung, die Schäden am Netz und an Geräten, beispielsweise durch Erhitzung oder Datenverlust an Computersystemen verursachen kann, sodass ein rasches Hochfahren behindert wird. Anschließend ist ein stufenweises Hochfahren notwendig, vor allem durch Speicher oder Pumpspeicher.

Ein Blackout ist in unserem Wirtschafts- und Verwaltungssystem mit Blick auf die kritische Infrastruktur ein weit reichendes Problem.

Die politische Forderung der Aufteilung in diverse Gebotszonen entspricht der Forderung einer weitgehenden Kostenwahrheit, sodass in Zonen mit hohem Angebot die Preise entsprechend sinken und andersherum die Preise steigen, allerdings ist diese Aufteilung in zahlreichen Ländern, etwa Deutschland ein akutes politisches Problem, das zu Lasten der politischen Einheit gehen würde. Aus Sicht der Europäischen Union wirkt die einheitliche Gebotszone Deutschland aufgrund ihrer Größe und zentralen Lage im europäischen Binnenmarkt „wettbewerbsverzerrend“.

Grundsätzlich ist die Aufteilung in Gebotszonen insbesondere aus Sicht jener Regionen sinnvoll, in denen ein Überschuss erzielt wird und folglich der Strompreis für den Endverbraucher gesenkt werden würde. Niedrigere Strompreise machen natürlich Investitionen in neue Energieproduktion uninteressanter. Andererseits signalisieren hohe Preise innerhalb einer Gebotszone, dass Investitionen in das Energiesystem notwendig werden. Wichtig ist allerdings die Größe der Gebotszonen, weil eigenständige Gebotszonen nur dann von ihrer Eigenständigkeit profitieren, wenn eine entsprechende Größe gegeben ist, um den Strom an den Verbraucher zu bringen.

Durch den stärkeren Rückgriff auf erneuerbare Energie wie Wind oder Solar steigt allerdings die Gefahr der so genannten Dunkelflaute. Innerhalb der Handelszone ist dann der Energiebezug relativ einfach, doch über Handelszonen hinweg von den Kuppelstellen der Übertragungsnetzbetreiber abhängig, die natürliche Engpässe darstellen.

Auf europäischer Ebene regelt das europäische Verbundnetz den Energiebinnenmarkt. Der europäische Binnenmarkt besteht allerdings nur so lange, bis die Kapazitäten an den Grenzkuppelstellen erreicht sind. In Italien bestehen Kuppelstellen mit Frankreich (Stromimport 15 TWh, Stand 2019), der Schweiz (22 TWh), Österreich (12 TWh), Slowenien (5 TWh), Montenegro, Griechenland, Malta und Korsika. Größtenteils findet Energieimport statt.

Insgesamt wird klar, wie wichtig Energiespeicher sind, um die Netzstabilität und Versorgungssicherheit zu garantieren und wie wenig Möglichkeiten zur Speicherung von Energie derzeit zur Verfügung stehen.

Literatur:

[1] Panos Konstantin: „Praxisbuch Energiewirtschaft – Energieumwandlung, -transport und -beschaffung, Übertragungsnetzausbau und Kernenergieausstieg“, Springer Verlag, Berlin 2017

[2] Andreas Seeliger: „Energiepolitik – Einführung in die volkswirtschaftlichen Grundlagen“, Verlag Franz Vahlen, München 2018

[3] Christian Synwoldt: „Dezentrale Energieversorgung mit regenerativen Energien – Technik, Märkte, kommunale Perspektiven“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2021

[4] Viktor Wesselak, Thomas Schabbach, Thomas Link, Joachim Fischer: „Handbuch Regenerative Energietechnik“, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2017

Eine Antwort zu „Netzstabilität und Versorgungssicherheit”.

  1. Avatar von Mehr Stromautonomie durch eine autonome Südtiroler Regulierungsbehörde – Demanega

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