Im modernen Stahlbau sind Schraubverbindungen lösbare als auch dauerhafte Verbindungen, die die hohen Tragfähigkeiten des Werkstoffs Stahl im Detail bedingen und übertragen und somit die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten durch die effiziente Montage vor Ort ermöglichen. Demgegenüber sind Schweißverbindungen vielfach umständlicher und mit der Problematik Brandschutz im Rahmen von Altbausanierungen auch begrenzter.
Im Stahlbau ist die Verbindung zwischen dem Hochbau und Bauwesen und den innovativen Ingenieurwissenschaften, die auf Dynamik und Bewegung ausgelegt sind, ein unmittelbarer. Demgemäß ist Stahl auch der Werkstoff für die hochtechnologische effiziente Moderne, während das moderne ökologische Bauen heute den Werkstoff Stahl punktuell mit Holz einsetzt.
Die Geschichte der Befestigungsschraube beginnt wohl irgendwann im Mittelalter in der Erfindung und Konstruktion kühner Geräte, Werkzeuge und Waffen und setzt sich mit Schraubenschmieden in der Neuzeit fort. Mit der Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert sollte sodann der Schritt in Richtung maschineller Herstellung erfolgen [1].
Mit der Entwicklung der Ingenieurwissenschaften ging endlich auch die Entwicklung von Prüfmaschinen einher, sodass eine systematische Überprüfung des Werkstoffverhaltens stattfinden konnte und entsprechende Normen ausgearbeitet wurden. Befördert wurden die Höchstleistungen im Maschinenbau durch die Anforderungen aus dem Eisenbahnbau und später der Elektrotechnik. Mit dem Automobil- und Flugzeugbau sollten die Anforderungen an die mechanischen Eigenschaften von Schrauben zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiter stark steigen. Immens war die Herausforderung an die Materialwissenschaften, hochfeste Schrauben zu entwickeln.
Die Konzentration der gesamten Statik und Dynamik auf die einzelne Schraube ist immens. Folglich sind die Festigkeitseigenschaften bei der Schraubenwahl essenziell. Die Kaltverfestigung wirkt insbesondere unter 800 N/mm2 als festigkeitssteigernder Fertigungsprozess, darüber liegende notwendige Zugfestigkeiten erfordern bereits niedrig legierte Stähle bis 1400 N/mm2. Bei hochfesten Stählen mit Zugfestigkeiten über 1400 N/mm2 sind höher legierte Stähle notwendig, um die Kerbempfindlichkeit zu reduzieren. Die Materialfestigkeit erhöht die Tragfähigkeit insofern noch genügend Zähigkeit vorhanden ist, damit sich teilplastische Spannungsumlagerungen vollziehen können.
Die komplexen Beanspruchungen umfassen aber bei Weitem nicht nur mechanische Einflüsse, sondern ebenso Korrosionsbeanspruchung und die thermische Beanspruchung und Strahlungseinflüsse. Zur Erfassung des mechanischen Verhaltens von Schrauben sind insbesondere die Kraft-Verformungs-Verhältnisse grundlegend. Die Schraube wird dann axial beansprucht, wenn sich ein gedachter Druckkegel von der Schraubenachse aus ausbilden kann. Andernfalls liegt eine Biegebeanspruchung vor.
Wird die Schraube vorgespannt, dann wird diese in die Länge gezogen, während der verspannte Teil um einen bestimmten Beitrag zusammengedrückt wird. Im verspannten Bauteil bilden sich Druckzonen aus. Demgegenüber bewirken exzentrische Verspannungen eine Schiefstellung der Schraube. Werden die Schrauben handfest angezogen, dann ist von nicht planmäßig vorgespannten Schrauben die Rede. Eine vorgespannte Schraubenverbindung entsteht bei Kontrolle des Anziehmomentes durch Vorspannverfahren. Die Vorteile betreffen den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit, während im Grenzzustand der Tragfähigkeit die Abscherkräfte wirken.
Grundsätzlich sind Schrauben, die zugbeansprucht sind, planmäßig vorzuspannen. Dadurch werden wesentliche Vorteile erzielt, indem die Formschlüssigkeit gesichert wird. Diese ist bei gleitfesten vorgespannten Verbindungen bis zur Grenzgleitkraft gesichert, bei Passverbindungen bis zur Grenzabscherkraft oder Grenzlochleibungskraft. Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit ist durch das planmäßige Vorspannen ein Aufklaffen garantiert.
Die Vorspannung betrifft in der Regel je nach Norm einen bestimmten Prozentsatz, in der Regel 70%, der Tragfähigkeit im Bruchzustand, wohingegen sich diese Grenze historisch an der Streckgrenze orientierte. Nach Ansetzen einer Vorspannkraft ist, wie immer, mit Relaxationseffekten zu rechnen.
Demgemäß unterscheidet der Eurocode 3 die Schrauben in:
Scherverbindungen:
- Scher- und Lochleibungsverbindungen (Kategorie A)
- Gleitfeste Verbindungen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (Kategorie B)
- Gleitfeste Verbindungen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (Kategorie C)
Zugverbindungen:
- Nicht vorgespannte Schrauben (Kategorie D): Häufig veränderliche Zugbeanspruchungen sind hier nicht erlaubt, Ausnahme normale Windlasten
- Vorgespannte Schrauben (Kategorie E): Die externen Kräfte werden hauptsächlich durch den Abbau der Pressungen der Bleche abgebaut, sodass die Kraft sich nicht in die Schraube überträgt. Erst wenn diese Pressungen überwunden sind, öffnet sich die Fuge und die Schraube verhält sich wie eine nicht vorgespannte Schraube.
Infolge komplexer Relaxationsprozesse, die in der Umformung elastischer Dehnungen in plastische Dehnungen durch Kriechen bestehen, fällt die Vorspannkraft ab.
Bei gleitfesten Verbindungen werden Querkräfte in der Trennfuge durch Haftreibung übertragen. Bei Scher- / Lochlaibungsverbindungen werden die Querkräfte hingegen partiell oder ganz durch das Verbindungselement selbst formschlüssig übertragen. Mit dem Überwinden der Haftreibung entsteht schließlich auch in der gleitfesten Verbindung eine Scher- / Lochleibungsverbindung. Der Vorteil der gleitfesten Schraubenverbindungen besteht darin, dass die Krafteinwirkung in der Schraube auch dann axial ist, wenn die äußere Krafteinwirkung nicht axial ist, sodass in rein axial belasteten Schrauben die höchste Effizienz liegt.
In den Werkstoffeigenschaften läuft das Design von Verbindungsmitteln darauf hinaus, nicht nur die Werkstoffeigenschaften, sondern auch das Bruchverhalten vorzugeben. Der Bruch soll sich in der Regel im Gewindeteil vollziehen, sodass dem Bruch deutlich plastische Verformungen vorausgehen und sich eine „Ankündigung“ durch Verformungen und Geräusche einstellt.
Literatur:
[1] Karl-Heinz Kloos & Wolfgang Thomala: „Schraubenverbindungen – Grundlagen, Berechnung, Eigenschaften, Handhabung“, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York 2007
[2] Rolf Kindmann & Ulrich Krüger: „Stahlbau Teil 1 Grundlagen“, Ernst und Sohn, Hoboken 2013
[3] Rolf Kindmann & Michael Stracke: „Verbindungen im Stahl- und Verbundbau“, Ernst und Sohn, Hoboken 2012


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