Wir leben in Zeiten, in denen sich die politische Auseinandersetzung zunehmend vom demokratischen Raum zum Protest und zum Stammtisch verlagert. Protest als politisches Mittel ist legitim, allerdings mit Einschränkungen.
Protest ist zuweilen wesentlich, um sich als Kollektiv ein öffentliches Gehör zu verschaffen. Verkürzungen sind in diesem Sinne zielführend, um grundsätzliche Debatten anzuregen. Demgemäß erweitert Populismus den Handlungsraum im Sinne eines Ausbrechens aus der „Alternativlosigkeit“. Es gibt allerdings gemäß öffentlicher Doktrin den „guten“ und den „schlechten“ Populismus, die Unterscheidung ist zuweilen ausschließlich eigennützig. Wenn die Unterscheidung nur noch den eigenen Vorteilen nützt, ist der Raum der Korrumpierbarkeit erreicht.
Wenn Populismus die politischen Handlungsräume erweitert, indem der Status Quo in Frage gestellt, die alternativlose Handlungsunfähigkeit angeprangert und mit realen Möglichkeiten zur Alternative fortgesetzt werden, ist ein höherer Zweck erfüllt. Wenn Populismus hingegen ausschließlich dem Blockieren, Obstruieren und Verhindern gilt, sind toxische Sphären erreicht, die außerhalb des Politischen als Diskurs und Konsensfindung liegen.
Tendenzen zum destruktiven Populismus markieren die Beendigung der demokratischen Debatte sowie den Rückgriff auf den Straßen-Populismus der Verkürzungen, Vereinfachungen, Schlagworte und Überspitzungen, unter anderem auch in Form des außerparlamentarischen Drucks und der Machtdemonstration und Machtausübung. Um politischen Konsens geht es weniger, sondern mehr um den – beabsichtigten – massenwirksamen Protest im Sinne der „Psychologie der Massen“.
Das Gute an teilweise emotionalen Protesten ist, dass individuelles Bekenntnis verlangt und folglich eine notwendige individuelle Positionierung erzielt wird. In einem öffentlichen Raum, der zunehmend apolitisch und postpolitisch ist, ist Protest folglich ein probates Mittel der Rückbesinnung zum Politischen. Selten sind politische Themen mit richtig oder falsch zu beantworten, weil immer Richtungsentscheidungen anstehen. Es ist folglich gerade der Verkürzung auf die inhaltliche Popularität zu verdanken, dass groß gedacht wird. Ein weiterreichendes Interesse an Theorie ist nämlich leider nicht feststellbar, sodass konstruktiver Protest ein probates Mittel ist.
Die grundsätzliche Debatte, ob Verbot oder Angebot im Mittelpunkt der politischen Ausgestaltung stehen sollen, ist heute zentral. Ebenso der mehr oder weniger ausgeprägte Glaube an Fortschritt durch Technologie. Darüber hinaus die Notwendigkeit, dass Fortschritt zielgerichtet und im Sinne des Gemeinschaftlichen ausgerichtet sein muss. Die Frage, ob das Gemeinschaftliche sich an der Abstraktion oder an der Lebenswirklichkeit ausrichten soll, ist ebenso eine Fragestellung ersten Ranges.
Infrastruktur ist auf breiten öffentlichen Konsens angewiesen. Infrastruktur ist folglich immer politisch. Konstruktiver Protest ist in diesem Sinne zielführend, destruktiver Protest nicht. Dort, wo nämlich der Duskuts verhindert wird, besteht kein positiver Beitrag zum Ganzen.


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