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Nachhaltige Geotechnik: Planung einer verankerten Baugrube

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Die enge Platzverfügbarkeit im urbanen Umfeld mit dichten Nachbarbebauungen, aber auch drückende Hänge im ländlichen Gebiet, machen konstruktive Baugrubensicherungen notwendig.

Erddruck & Theorie

Erddruckberechnungen sind faktisch komplexe Angelegenheiten, die nicht nur zahlreiche Fragestellungen aufwerfen, die die Geologie betreffen, sondern vor allem auch hinsichtlich der Erddrucktheorie. Es kommt nicht von ungefähr, dass Erddruckberechnungen zu den ältesten Disziplinen des Bauingenieurwesens gehören [7].

Im Sinne der Plastizitätstheorie kann auch in der Bodenmechanik von einer unteren Schranke (statische Methoden) sowie von einer oberen Schranke (kinematische Methoden) gesprochen werden, wenngleich der Boden kein ideal plastisches Material ist.

Die Erddruckhypothese nach Coulomb zählt zu den kinematischen Methoden. Kinematische Methoden gehen von starren Bruchkörpern aus, bei denen sich auf Gleitflächen eine Bewegung ausbildet. Statische Methoden unterstellen hingegen Zonenbrüche, die allerdings nur unter bestimmten Rahmenbedingungen auftreten können. Zu den bekanntesten Theorien gehört jene nach Rankine.

Um sowohl den aktiven als auch den passiven Erddruck zu mobilisieren, sind – je nach Art der Wandbewegung und nach Lagerungsdichte bei nichtbindigen und nach Konsistenz bei bindigen Böden – minimale Verschiebungen oder Verformungen notwendig.

Im Sinne der Coulomb-Hypothese stellt der aktive Erddruck das Maximum der Erddruckresultierenden dar, die sich aus dem Kräftegleichgewicht des Gleitkeils bei gegebener Gleitflächenneigung einstellt. Entsprechend wird bei Auflasten oder geknicktem Geländeverlauf die Gleitflächenneigung so lange variiert, bis sich das Maximum einstellt. Demgegenüber entspricht der passive Erddruck dem Gleitflächenwinkel, bei dem sich ein Minimum der Erddruckresultierenden einstellt.

Klassischerweise wird der Erddruck dreiecksförmig angenommen, was jedoch im aktiven Erddruckfall nur für die Wand mit Fußverdrehung und im passiven Fall für eine parallele Bewegung zutrifft. Bei gestützten Wänden kommt es allerdings faktisch zu Erddruckumlagerungen. Gegenüber der dreiecksförmigen Erddruckverteilung vollzieht sich eine Umlagerung des Erddrucks zu den Stützungen hin. Wesentlich ist dabei – je nach Art der Stützung – die Kombination aus Verschiebung und Durchbiegung [7].

Die Faktoren, die Verteilung des aktiven Erddruckes beeinflussen, sind zahlreiche [7]: Die Nachgiebigkeit der Stützung, die Art und Einbringung der Wand, die Biegesteifigkeit der Wand, die Anzahl und Anordnung von Steifen und Ankern, die Größer der Aushubabschnitte und die Einbaubedingungen, die Vorspannung der Steifen und Anker. Die praktische Anwendung richtet sich nach Empfehlungen oder FE-Berechnungen.

Praktische Baugrubenbemessung

Ausgehend von der Komplexität der Erddrucktheorie stellen sich für die Praxis unterschiedliche Konstellationen ein, die den Erddruckansatz und in der Folge die Bemessung der Baugrube betreffen. Zu unterscheiden ist folglich zwischen:

  • Nicht gestützten, im Boden eingespannten Baugrubenwänden
  • Einmal gestützten Baugrubenwänden
  • Mehrmals gestützten Baugrubenwänden.

Häufig müssen die Baugrubenkonstruktionen vorgespannt werden. Im Falle benachbarter Gebäude, die in unmittelbarer Nähe zur Baugrube stehen, reichen Baugrubenkonstruktionen ohne Vorspannung häufig nicht mehr aus. Je nach Winkel zwischen Fundamentsohle des Bestandsbauwerkes sowie der Baugrubenwand müssen mäßige oder starke Vorspannungen oder – bei geringerem Abstand – Schlitzwände oder Pfahlwände angeordnet werden. Im Extremfall ist das Bestandsgebäude zu unterfangen.

Berechnung verankerte Baugrube, DMN*Engineering

Entsprechend der Vorspannung ergeben sich Konsequenzen für die Erddruckverteilung. Innerhalb von Grenzen kann mit Ankeranordnung und Vorspannung jede beliebige Erddruckverteilung erzwungen werden. Die Extremfälle stellen dar: Die klassische Erddruckfigur bei nicht gestützten Baugruben sowie die größtmögliche Erddruckumlagerung bei ausgesteiften Baugrubenwänden. Durch Aussteifungen entstehen Bewegungen, die gering sind oder gegen null gehen.

Die Nachgiebigkeit der Stützkonstruktion sowie der anzusetzende Erddruck stehen folglich in einem unmittelbaren Verhältnis. Die Vorspannung der Anker setzt den Bodenkörper in einen Druckzustand, die Stahldehnungen werden vorweg genommen, die Bewegungen werden minimiert, weil keine Bewegung des Stahlzuggliedes zur Aktivierung der Reibung notwendig wird. Die Vorspannung ermöglicht schlankere Baugrubenkonstruktionen und kann – in Grenzen – die Aussteifungen ersetzen. In der Regel beträgt die Vorspannung der Anker80 % bis 100 % ihrer späteren Gebrauchslast.

Zu unterscheiden ist dabei zwischen zwei Versagensfällen [8]:

  • Geländebruch: Der Wandfuß weicht aus, die Wand dreht sich um einen hochgelegenen Punkt und das gesamte System, bestehend aus Baugrubenwand, Verankerung und Erdboden rutscht als Ganzes auf einer durchgehenden gekrümmten Gleitfläche ab.
  • Bruch in der tiefen Gleitfuge: Die Anker geben nach, die Wand dreht sich um einen tiefgelegenen Punkt, es bilden sich – vornehmlich vom Ankerkörper ausgehend – nach oben und unten Bruchfugen im Boden aus, der Boden gerät in einen plastischen Zustand und rutscht in den verschiedenen Bruchfugen ab. In der Regel handelt es sich um den bemessungsrelevanten Nachweis.

Der Nachweis in der tiefen Gleitfuge (Verfahren nach Kranz) besteht in der Annahme eines aktiven Gleitkeils, der sich auf die Wand abstützt. Die Wand wird durch die Anker gehalten. Die „tiefe Gleitfuge“ entwickelt sich vom Einleitungspunkt zum Fußpunkt des Bodenkörpers, müsste eigentlich durch eine gekrümmte Gleitfläche dargestellt werden, wird allerdings vereinfacht gerade angenommen. Es ergibt sich ein trapezförmiger Gleitkörper. Daraus ergibt sich im Krafteck die notwendige Ankerkraft.

Die freie Ankerlänge sollte mindestens so gewählt werden, dass die Lage des Verpresskörpers im aktiven Coulombschen Gleitkörper vermieden wird. Die Mindestlänge der Anker soll 4 Meter betragen. Die Bodenüberlagerung sollte ebenso mindestens 4 Meter betragen, damit die Kraft übertragen werden kann. Gegenüber Nachbarsbauwerken ist ein Abstand des Verpresskörpers von mindestens 3 Metern einzuhalten [9].

Praktische Bauausführung

Die Herstellung von Mikropfählen erfolgt durch den Einbau eines Bewehrungskorbes oder Stahltraggliedes in ein Bohrloch durch anschließendes Verpressen. Definitionsgemäß werden Pfähle mit einem Durchmesser von weniger als 30 cm als Kleinbohrpfähle bezeichnet. Je nach Anwendung stehen unterschiedliche Bohrverfahren zur Verfügung. Entweder erfolgt das Einsetzen von Kleinbohrpfählen in vorgebohrte Löcher oder es stehen selbstbohrende Varianten zur Verfügung, insbesondere mit Rundhohlprofilen aus Stahl. Die Anwendung betrifft Locker- oder Festgestein.

In der Baupraxis erfolgt das Setzen der Anker nach Herstellen eines – je nach Bodenart – verrohrten Bohrloches. In dieses Bohrloch wird das Zugglied eingefügt und es folgt die Ausfüllung mit der Zementsuspension. Das Zugglied kann aus Drahtlitzen oder aus Gewindestangen bestehen. Während der primären Verpressung wird das Bohrgestänge entfernt. In der Regel reicht in Kies oder Sand die Primärverpressung aus. Es folgt in bindigem Boden ein mehrmaliges Nachverpressen mit Steigerungen der Ankertragfähigkeit um bis zu 30% (Angaben der Firma Bauer). Die Konstruktion wird nach Aushärten der Zementsuspension über einen Ankerkopf verspannt.

Literatur:

[1] Helmut Prinz und Roland Strauß: „Ingenieurgeologie“, Springer Spektrum, Berlin 2017

[2] Wolfgang Dachroth: „Handbuch der Baugeologie und Geotechnik“, Springer Verlag, Berlin 2017

[3] Gerd Möller: „Geotechnik – Bodenmechanik“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2013

[4] Gerd Möller: „Geotechnik – Grundbau“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2017

[5] Lutz Wichter & Wolfgang Meiniger: „Verankerungen, Vernagelungen und Mikropfähle in der Geotechnik“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2022

[6] Conrad Boley: „Handbuch Geotechnik – Grundlagen, Anwendungen, Praxiserfahrungen“, Vieweg Teubner, Wiesbaden 2012

[7] Achim Hettler & Karl-Eugen Kurrer: „Erddruck“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2019

[8] Achim Hettler, Theodoros Triantafyllidis und Anton Weißenbach: „Baugruben“, Ernst und Sohn Verlag, Berlin 2018

[9] Hans-Henning Schmidt, Roland F. Buchmaier & Carola Vogt-Breyer: „Grundlagen der Geotechnik – Geotechnik nach Eurocode“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2017

2 Antworten zu „Nachhaltige Geotechnik: Planung einer verankerten Baugrube”.

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