Das moderne Bauen mit Holz steht immer wieder vor höchsten Herausforderungen. An und für sich werden moderne Holzverbindungen immer mit Stahlverbindern oder Aluminiumverbindern ausgeführt. Holz steht folglich immer im Zusammenhang mit anderen Werkstoffen. Wenn wir allerdings höher, weiter und raffinierter bauen wollen, dann geht es mehr und mehr darum, den Werkstoff Holz kongenial mit Holz und Beton zu verbinden.
Das Bauen in Holzybrid kann auf verschiedene Art und Weise aufgefasst werden. Einerseits können verschiedene Werkstoffe in einem einzigen Bauteil kombiniert werden, wie das beim Holz-Beton-Verbund verfolgt wird, um nämlich höhere mechanische Festigkeiten gegenüber dem reinen Holzbau sowie mehr Leichtigkeit gegenüber dem Betonmassivbau zu erreichen. Andererseits können Bauteile aus verschiedenen Werkstoffen kombiniert werden, etwa ein Träger aus Stahlbeton sowie eine Stütze aus Holz.
Meistens entsteht der Holzhybridbau aus dem Wunsch des Auftraggebers oder Architekten, in Holz zu bauen und sodann aus der Einsicht des Tragwerksplaners, dass das Tragwerkskonzept einen Rückgriff auf ergänzende Werkstoffe erforderlich macht. Insbesondere bei komplexen Details mit hohen Spannungen ist der Holzhybridbau oft erforderlich.
Inwiefern der konventionelle Ingenieurholzbau, der im Rahmen der Verbindungen auf mehr oder weniger Stahl zurückgreifen muss, bereits als Holzhybridbau aufzufassen ist, ist natürlich eine Definitionssache. Das eingeschlitzte Stahlblech, das wie eine Stahlschraube das Holz im Kontext der Verbindung unterstützt, ist eher im klassischen Ingenieurholzbau anzuordnen, wenngleich Kenntnisse im Stahlbau unentbehrlich sind und folglich die Grenzen des klassischen Holzbaus bereits gesprengt sind. Wird hingegen der gesamte Knoten in Stahl ausgeführt, dann ist der Knoten selbst ein reiner Stahlbau und die Konstruktion höchstens hybrid.
Während sich Stahl eignet, um trotz extrem hoher Lasten schlank zu bauen, werden mit dem Beton oder Stahlbeton aufgrund der größeren Massen sowie der Feuerbeständigkeit zahlreiche weitere Herausforderungen gelöst, vor denen der Holzbau heute steht.
Es ist bekannt, dass Beton als Werkstoff auf Druck hervorragende Eigenschaften entwickelt, weshalb im Stahlbetonbau Stahleinlagen in der Zugzone notwendig sind. Im Stahl-Beton-Verbundbau wird dieses Prinzip zunutze gemacht, indem Unterzüge aus Stahl ausgeführt werden. Ähnlich kann aber auch im Holzbau die Zugzone aus Holz und die Druckzone aus Beton ausgeführt werden. Das Bauwerk wird damit weitaus ökologischer. Andererseits werden Schwachstellen des Holzbaus wie Brandschutz und Schwingungen sowie Bauakustik durch den Aufbeton gelöst. Immer deutlicher nicht nur bei der Sanierung von historischen Holzkonstruktionen, sondern als Innovation im mehrgeschossigen Neubau aus Holz.
Holz besitzt ein viskoelastisch-plastisches Formänderungsverhalten. Das Verhältnis Spannung-Dehnung ist zunächst geradlinig, also vollelastisch. Anschließend verläuft die Belastungslinie ab einem bestimmten Lastniveau leicht gebogen. Die Viskoelastizität bewirkt, dass Spannungen durch viskoelastisches Verhalten teilweise oder vollständig wieder abgebaut werden können. Oberhalb der Proportionalitätsgrenze treten zusätzlich zu den elastischen Verformungen auch plastische Verformungen auf, das Belastungsverhalte ist plastisch und viskoelastisch, beide Verhaltensweisen überlagern sich.
Kriechen bezeichnet die zeitabhängigen Verformungszunahmen bei gleichbleibenden Beanspruchungen. Wird Holz über längere Zeit belastet, überlagern sich die elastischen (Anfangs-)verformungen und die Kriechverformungen. Das Kriechen nimmt mit dem Belastungsgrad zu. Oberhalb der Kriechgrenze liegt eine beschleunigte Verformungszunahme vor. Zudem nimmt das Kriechverhalten mit der Holzfeuchte zu. Im Wechselklima kriecht Holz stärker als bei konstanter Holzfeuchte. Ebenso treten mit zunehmender Temperatur temperaturabhängige Kriechverformungen auf. Die Kriechverformungen werden im Holzbau im Mittel durch den Verformungsbeiwert kdef abgebildet.
Das Schwinden des Betons bewirkt eine Verkürzung der Betonplatte. Diese Verkürzung kann sich durch den Verbund allerdings nicht einstellen. Der Verbund dient grundsätzlich dazu, dass die Zugkraft im Holz mit der Druckkraft im Beton zusammenwirkt. Der Verbund verhindert die Betonverkürzung weitgehend, indem sich das Holz dieser beabsichtigten Verkürzung entgegen stellt. Dieser Vorgang wird als „inelastische Beanspruchung“ oder „inelastische Dehnung“ bezeichnet.
Daraus ergeben sich die folgenden mechanischen Vorgänge:
- Der schwindende Beton verliert an Steifigkeit und nimmt infolgedessen weniger Druckkraft auf;
- Die Belastung des Verbindungsmittels wird durch die geringere Steifigkeit des Betonquerschnitts vermindert;
- Der Beton wird auf Zug belastet;
- Der Verbundquerschnitt wird auf Druck belastet;
- Das Biegemoment im Holz erhöht sich entsprechend;
- Der weniger steife Gesamtquerschnitt verformt sich stärker.
Verkürzt sich hingegen das Holz relativ zum Beton, dann treten die gleichen Vorgänge umgekehrt auf. Das Holz will sich verkürzen und wird durch den Verbund daran gehindert. Infolgedessen entstehen im Betonquerschnitt zusätzliche Druckspannungen. Der Verbundquerschnitt wird auf Zug belastet. Beide Teilquerschnitte erfahren eine Biegemomentenbeanspruchung.
Das Langzeitverhalten beeinflusst auch das mechanische Verhalten des Verbindungsmittels. Durch die Kriechbelastung konzentrieren sich die Spannungen im Bereich der Verbindungsmittel. Das so genannte Verbindungsmittelkriechen wird durch die höhere Steifigkeit des Verbindungsmittels minimiert. Verbindungsmittel, die orthogonal zur Faser wirken, fördern allerdings das Kriechen und vermindern die Steifigkeit der Verbindung.
Bei wechselnden Feuchtigkeitsverhältnissen kriecht das Holz stark. Dadurch nimmt die Spannung im Holz ab und der Beton erfährt eine höhere Beanspruchung.
Im Sinne der Berechnung von Holz-Beton-Verbundkonstruktionen sind die folgenden Einwirkungen zu berücksichtigen:
- Schwinden des Betons;
- Temperaturvariationen im Jahresverlauf;
- Feuchtevariationen im Jahresverlauf;
- Differenz zwischen Einbautemperatur und Betriebstemperatur;
- Differenz zwischen Einbaufeuchte und Ausgleichsfeuchte.
Das Tragverhalten wird dabei wesentlich durch das unterschiedliche Kriechverhalten von Holz und Beton beeinflusst. Bei Werkstoffen mit unterschiedlichen Kriechzahlen wird grundsätzlich eine Umlagerung der Spannungen vom stärker zum weniger stark kriechenden Werkstoff bewirkt. Der schwächer kriechende Werkstoff erfährt eine Verformungszunahme.
Das Betonkriechen ist in der Regel nach 3 bis 7 Jahren abgeschlossen, während das Holz weiter kriecht. Die CEN / TS 19103 gibt den Stand der Technik wieder und führt die Möglichkeit zur Berechnung der effektiven Biegesteifigkeit unter Berücksichtigung der Langzeiteffekte ein.
Zur Herstellung des Verbundes stehen diverse Verbindungsmittel zur Verfügung. Die höchste Steifigkeit erreichen geklebte Verbindungen, während Verbindungen mit metallischen Verbindungsmitteln nur geringe Steifigkeiten erreichen können, da die übertragbaren Kräfte begrenzt sind und der Schlupf eine Rolle spielt.
Wesentliche Vorteile können durch Kerven erzielt werden, wobei die Kervenlänge die Festigkeit und Steifigkeit der Verbindung beeinflusst und die Zugschraube die Duktilität und das Nachbruchverhalten charakterisiert.
Kerven sind Vertiefungen im Holzträger, welche sich über die gesamte Breite des Bauteils erstrecken. Es können vier verschiedene Versagensarten auftreten:
- Versagen des Holzes auf Schub;
- Versagen des Holzes auf Druck;
- Versagen des Betons auf Schub;
- Versagen des Betons auf Druck.
Während der Holz-Beton-Verbund klassisch ein erprobtes Konzept für die Ertüchtigung bestehender Holzdecken war, tendiert der moderne Holz-Beton-Verbund in Richtung Neubau mit höheren Spannweiten, höheren Kräften und einer technischen Lösung für Schwingungen und Akustik. Verbundverbindungen werden dabei zunehmend über Knaggen hergestellt. Zudem zeigt die Tendenz von historisch einachsig gespannten Tragwerken zu vermehrt zweiachsig wirkenden Tragwerken durch Holzhybridbauweise.
Von der Holz-Beton-Decke zeigt die Tendenz in Richtung momententragfähiger Holz-Beton-Verbindungen, um Brettsperrholzdecken ohne Unterzug als Flachdecke zu verbinden. Daneben spielt im Rahmen der Aussteifung der Holz-Beton-Verbund eine wesentliche Rolle. Aber auch beim Thema der Aufstockungen muss es zunehmend ein hybrides Bauen sein, um im Bereich des seriellen Sanierens mit dem Werkstoff Holz über ein Baumaterial zu verfügen, das leicht, vorfertigbar und einfach fügbar ist.
Literatur:
[1] Franz Kollmann: „Technologie des Holzes und der Holzwerkstoffe – Erster Band, Anatomie und Pathologie, Chemie, Physik, Elastizität und Festigkeit“, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1951
[2] Helmuth Neuhaus: „Ingenieurholzbau: Grundlagen – Bemessung – Nachweise – Beispiele“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2017
[3] Thomas Zawila: „Holz-Beton-Verbundkonstruktionen | Bemessung nach ONR CEN/TS 19103:2021 mit Fokus auf die Langzeitverformung“, Technische Universität Wien, Wien 2022


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