Betriebsausfälle und Zugverspätungen gehören im öffentlichen Verkehr zu täglichen Herausforderungen und zu erheblichen Ärgernissen. Begleitet werden die Störungen durch mangelhafte Informationspolitik und fehlende Transparenz sowie durch Streiks.
Die Schienengebundenheit der Bahn verursacht zwar zahlreiche Vorteile, aber auch deutliche Nachteile: Dadurch, dass alles miteinander verknüpft ist, ist die Störungsanfälligkeit extrem hoch. Kleinere Probleme haben infolgedessen erhebliche Auswirkungen auf das Netz.
Die Natur der Schieneninfrastruktur schafft Monopolstellungen. Alternativen und Konkurrenz sind im System kaum möglich. Dieser Umstand verleitet bei gravierenden Störungen zum Umstieg auf anderweitige Verkehrsmittel, im Konkreten auf den motorisierten Individualverkehr. Solange sich ohnehin niemand dafür rechtfertigen muss, dass der öffentliche Verkehr in Summe verliert, besteht wenig Hoffnung auf Verbesserung. Und solange der Individualverkehr mit dem öffentlichen Verkehr darum konkurriert, wer denn den schlechteren Dienst erweist, sind wir Teil einer Mangelwirtschaft.
Ein durchgängiges, effizientes öffentliches Verkehrssystem entspringt einer politischen Willensentscheidung und hat einen erheblichen Aufwand für Betrieb und Unterhalt zu leisten.
Das unterstreicht der europäische Vergleich in Sachen Pünktlichkeit: „Platz eins hingegen belegt die Schweiz. Hier läuft fast alles wie ein perfektes Uhrwerk, die Pünktlichkeitsquote der Fernzüge im Land liegt bei 96,3 Prozent. Auf den Plätzen zwei und drei sind Dänemark und die Niederlande mit immerhin noch knapp 90 Prozent pünktlichen Verbindungen. Am unteren Ende der Rangliste liegen Tschechien mit 72,9 und Italien mit 67,8 Prozent. Doch selbst damit sind die Züge noch pünktlicher als zurzeit in Deutschland“ [2]. In Deutschland waren es 2023 rund 64,3 Prozent der Fernzüge, die pünktlich verkehrten.

Verspätungen im öffentlichen Verkehr sind stets eine Frage der Interpretation derselben. Erstens stellt sich die Frage, ab wie vielen Minuten es sich um eine „Verspätung“ handelt. Die Definition ist von Staat zu Staat unterschiedlich gelagert. Zweitens sind die Ursachen Auslegungssache.
„Bei etwa jedem zweiten Zug fiel die Ursache in die Kategorie „Störungen im Betriebsablauf“, wobei die am häufigsten genannten Ursachen die „Verspätung eines vorausfahrenden Zuges“, das „Warten auf Anschlussreisende“, die „verspätete Bereitstellung eines Zuges“, Verzögerungen aus vorherigen Fahrten und andere ähnliche Gründe waren. In jeweils 16 Prozent beziehungsweise 15 Prozent der Fälle waren sowohl Störungen an der Strecke und an den Bahnhöfen als auch Störungen an den Zügen verantwortlich für die Verspätungen“ [1].
Die Ursachen sind allerdings direkt oder indirekt und auf jeden Fall verflochten: „Bauarbeiten waren nur in 8 Prozent der Fälle die Ursache, weshalb ein Zug nicht pünktlich kam. Der Anteil der Bauarbeiten kann trotzdem in Wirklichkeit höher sein – als indirekte Ursache. Beispielsweise können im Fall des „Wartens auf Anschlussreisende“ ebenfalls Bauarbeiten dahinterstecken. Sie befinden sich dann möglicherweise nicht auf der Zugstrecke selbst, auf der die Fahrgäste warten mussten, sondern auf der Linie, auf der die Anschlussreisenden unterwegs waren“ [1].

Gewiss ist aber: „80 Prozent der Unpünktlichkeit im Schienenverkehr gehen nach Einschätzung der Bahn auf das Konto maroder Fahrwege und Leittechnik“ [1].
Die notwendigen Investitionen in die Instandhaltung von Bahninfrastruktur sind fundamental. Bleiben diese aus, sind die Störungen vorprogrammiert.
„Ein über die Jahre wachsender Zugverkehr – sowohl im Personen- wie auch im Gütertransport – trifft auf eine sich stetig verschlechternde Infrastruktur von Gleisen, Oberleitungen, Brücken, Tunneln, Stellwerken. Gut ein Viertel der Gleise soll nach Einschätzung der Bahn in einem schlechten, mangelhaften oder ungenügenden Zustand sein – und sogar fast die Hälfte der Stellwerke. Sobald mehr Menschen die Bahn nutzen als in der Vergangenheit, führt dies zu Kapazitätsproblemen und deutlich mehr Verspätungen“ [1].
Das Problem der Infrastruktur entsteht faktisch durch zu viele Baustellen und zu wenig Fachpersonal.
„Auf reinen Hochgeschwindigkeitsstrecken wie in Frankreich oder Japan lassen sich Züge pünktlicher betreiben, weil es zu weniger Störungen kommt“ [1]. Blickt man auf die Brennerstrecke, auf der regionaler Verkehr und künftig Hochgeschwindigkeitsbahnen treffen werden, sind die Probleme vorprogrammiert, insofern kein Paradigmenwechsel folgt. Und diese Paradigmen kosten: „Mit Blick auf „Vorbilder“ wie Österreich oder die Schweiz fällt auf: Dort flossen in der Vergangenheit je Einwohner viel höhere staatliche Investitionen in die Schieneninfrastruktur als in Deutschland. Im vergangenen Jahr etwa waren die Pro-Kopf-Investitionen in der bahnfreundlichen Schweiz fast viermal höher als hierzulande“ [1].
Werden Statistiken zu Zugverspätungen und Störungen gelesen, ist strikt darauf zu achten, ob es sich um den Nahverkehr oder Fernverkehr handelt. Der Güterverkehr wird ohnehin gesondert berücksichtigt.
Hinzu kommen, weil Störungen noch nicht genügend Argumente gegen die Bahn sind, regelmäßige Streiks im Bahnverkehr, die selten die politischen Entscheidungsträger treffen und stattdessen Zugreisende und Pendler. Der Nutzen derartiger Streiks wird auch noch nicht ermittelt worden sein.
Berufspendler erleiden durch systematische Störungen persönliche Nachteile, die sich in der Folge auf die gesamte Volkswirtschaft auswiken. Betroffen ist zudem der Fremdenverkehr. Durch Streiks, so berechtigt sie sein mögen, entsteht zeangsläufig eine Eskalations- und Negativspirale mit wenigen Gewinnern.
Insbesondere im Güterverkehr entstehen durch Streiks und Zugausfälle exorbitante Schäden. Der industrielle Schaden ist bei Nachschubproblemen in den Lieferketten hoch und beschädigt den Wirtschaftsstandort als ganzem. Wenn die Züge der großen europäischen Güterbahnen bestreikt werden, hat dies nach kurzer Zeit unmittelbare Auswirkungen auf die Versorgungs- und Lieferketten und die dortigen Arbeitsplätze.
Die Konsequenzen sind auch verkehrstechnischer Natur. Die Straße gewinnt durch Verspätungen und Ausfälle gegenüber der Schiene zwangsläufig an Bedeutung. Das Vertrauen in die Schiene gerät ins Wanken. Streiks zerstören folglich vielfach das, was sie vorgeben, zu verteidigen.
Fatal sind mangelhafte Informationssysteme in Echtzeit.
[1] FAZ (Link)
[2] Wissen.de (Link)
[3] Ulrich Weidmann: „Bahninfrastrukturen – Planen, entwerfen, realisieren, erhalten“, vdf Verlag der ETH Zürich, Zürich 2020


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